Elizabeth - Tochter der Rosen
stumm um Vergebung. Was immer sein Wille sein mochte, ich würde ihn offenen Herzens annehmen.
Fortan versuchte ich, meine Mutter mit meiner Musik zu übertönen, unterrichtete meine Schwestern, flickte meine Kleider und träumte vor mich hin. Oft jedoch bemerkte ich ein triumphierendes Funkeln in den Augen meiner Mutter, wenn wir gemeinsam bei der Handarbeit saßen. So guckte sie, wenn etwas, das sie eingefädelt hatte, Früchte trug, und es beunruhigte mich sehr.
»Sei bereit!«, sagte sie eines kalten Nachmittags Anfang Dezember zu mir. »Heute Abend kommt der König, um deine Jungfräulichkeit zu prüfen.«
Unwillkürlich sprang ich auf. »Du machst vor nichts halt, um das zu bekommen, was du willst, stimmt’s?«
»Ach, jetzt spiel mir nicht die Heilige vor! Du wünschst dir genauso sehr wie ich, dass du Königin wirst.« Und wieder leuchteten ihre Augen siegesgewiss.
»Bei allem, was heilig ist, aber an dem Tag, an dem du dich selbst zerstörst, Mutter, und der wird sicher kommen, werde ich jubeln!«
Meine Mutter lächelte. »Was ist schon dabei, ein bisschen früher das Bett mit ihm zu teilen? Du weißt, dass du es irgendwann musst.« Sie beugte sich zu meinem Ohr. »Und mach ja gute Miene!«
Nein, ich konnte nichts tun. Ich musste mich unterwerfen um des kleinen Edwards und um meiner Schwestern willen. Was sollte aus ihnen werden, wenn Tudor mich nicht heiratete? Auch wenn Frauen nicht wie Männer in den Tower gesperrt wurden, konnten sie gegen ihren Willen in ein Kloster gesteckt werden und dort, aller Freude beraubt, alt werden. Und sowohl meine Schwestern als auch der junge Edward of Warwick waren nun einmal königlichen Geblüts. Ich schloss die Augen.
~
Trotz des Tranks, den ich nahm, zitterte ich, als Henry Tudor mein Schlafgemach betrat. Mit seiner schlanken, mittelgroßen Gestalt, den ausgeprägten Wangenknochen, dem glatten blonden Haar und den kleinen Augen von unbestimmter Farbe hätte Tudor hübsch anzusehen sein können, wäre da nicht die lange spitze Nase gewesen, die ihm etwas von einem Frettchen gab. Ich stand, schlotternd vor Kälte, in meinem Nachthemdda, das Haar offen. Für einen Moment schien ihn mein Anblick zu verwirren, und er hielt inne. Dann schritt er auf mich zu. Schließlich war dies hier eine geschäftliche Angelegenheit – für uns beide. Ich ermahnte mich, nicht vor seiner Berührung zurückzuweichen, so eisig sie auch sein würde. Zudem hatte er einen schlechten Atem und roch insgesamt faulig. Mir war kalt, so kalt ... Könnte es doch nur ...
Könnte ich doch die Augen schließen und tun, als wäre er ...
Nein, das durfte ich nicht, denn es wäre eine Sünde. Also beschwor ich Thomas’ Bild herauf. Ach, Thomas, mit dir könnte ich glücklich sein!
Es gelang mir nicht, meine Fantasie im Zaum zu halten. Tudor berührte meine Wange, und es war Richards Berührung, an die ich mich erinnerte. Ich schloss die Augen.
Heilige Maria, Mutter Gottes, hilf mir in meiner Not!
Ich sah einen gefrorenen See vor mir, schaute zu, wie das Eiswasser langsam und unaufhörlich in meine Adern strömte, ein fataler Tropfen nach dem anderen. Kraft, sagte ich mir im Geiste. Ich muss stark sein, um das Leben zu ertragen ... Ich tue dies für meine Schwestern, damit sie nicht im Elend enden ...
In der Dunkelheit legte ich mich auf das Bett und hielt den Atem an. Ich hörte Keuchen und musste an einen atemlosen Wolf denken, dessen rote Augen glühten, während er seine Beute zerfleischte. Ein kurzer, stechender Schmerz fuhr mir durch den Schoß, und ich schrie auf. Dann folgte ein weiterer Stich. War es das hier, was Poeten meinten, wenn sie von der Liebe schrieben? Gewiss nicht, denn dies war abstoßend, widerwärtig, entsetzlich und nichts als Schmerz.
Ich wandte mein Gesicht ab und wagte nicht zu atmen, weil mir von dem Geruch übel wurde, der mir entgegenschlug, sobald ich Luft holte. Wann wird es vorbei sein, Heilige Mutter Gottes? Die Zeit verstrich, und schließlich endete die Tortur vonTudors Leib in meinem. Er rollte sich mit einem zufriedenen Stöhnen von mir. Ich hörte Bewegungen auf dem Bett und in der Kammer, sah jedoch nicht hin. Stattdessen lag ich still wie eine Tote, denn so fühlte ich mich. Ein Schatten rührte sich neben meinem Bett, und ich wurde stockstarr. Die Decke bis unter mein Kinn gezogen, wartete ich atemlos, was geschehen würde. Der Schatten bückte sich zu mir und küsste mich auf die Wange.
Tränen brannten hinter meinen geschlossenen
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