Elke und ihr Garten
Kettchen ganz entzückend sei. Es
war ja auch wirklich nicht billig gewesen!
Ach nein, allzu große Hoffnungen auf
Elkes „wahre Freundschaft“, wie Achim sich ausdrückte, hatte er augenblicklich
noch nicht! Aber er wollte die Geduld nicht verlieren.
Elke holte jetzt häufiger als in der
ersten Ferienwoche die Nachbarskinder in ihren Garten herüber. Die
vierzehnjährige Mantsche brachte sich meistens eine Handarbeit mit. Sie war so
geschickt im Handarbeiten, und Elke bewunderte sie deshalb. Sie selbst war ja
kein Held im Handarbeiten. Geschicklichkeit dazu besaß sie wohl genug, aber ihr
fehlte die Geduld. Was in ein, zwei Wochen fertig werden konnte, ja, das ging
noch an, aber eine Arbeit wie Mantsches weiße Hohlsaumdecke jetzt zum Beispiel,
die in frühestens einem halben Jahr fertig werden konnte, so was war einfach
über ihre Kraft! Wie hatte sie damals im Sonnenhof Emilie mit ihren
Kreuzstichdecken bedauert! Na, Gott sei Dank, so was hatte Emilie jetzt ja
nicht mehr nötig. Ihrem Vater ging es gut beim Stuttgarter Rundfunk, und sie
selbst war Kindergärtnerin geworden und war in einer netten Familie angestellt
und betreute zwei kleine Buben. Aber Mantsche stickte solche großen Decken zu
ihrem reinen Vergnügen — bewunderswert! Auch noch vieles andere bewunderte Elke
an ihrer neuen Freundin. Wie lieb und geduldig war Mantsche immer zu ihren
jüngeren Geschwistern, der neunjährigen Helga und dem dreijährigen Gerd! Und
wie gefällig war sie auch immer ihr, Elke, gegenüber. Sie lieh ihr viele
Bücher, und sie half ihr oft, Ali aus dem Wasser zu jagen, wenn er beim
Schwimmen im Silberteich wieder einmal überhaupt kein Ende finden konnte.
Auch Helga und Gerd waren nette
Kinder, fand Elke. Helga hatte Tiere gern, und ihr Lieblingsspiel war ihr
„Schnecken-Hagenbeck“, den sie sich in Elkes Garten drüben angelegt hatte. Aus
dicht nebeneinander in die Erde gesteckten dünnen Zweigen hatte sie sich eine
Einfriedigung gemacht, und da hinein hatte sie eine große Anzahl von Schnecken
gesetzt, kleine und größere, hellbraune und dunkelbraune, und alle streckten
ihre Tasthörnchen vor, wenn sie in dem Gehege herumkrabbelten. Helga versorgte
ihren Tierpark jeden Morgen und jeden Abend gewissenhaft mit grünen Blättern,
und sie sagte, daß sie ganz genau wüßte, was für Blätter jede einzelne Schnecke
am liebsten fräße.
Helga war wie ihre Schwester Marianne
ein stilles und blasses Mädchen, aber der kleine Gerd war genau das Gegenteil
von ihnen beiden. Sein Gesicht war wie ein praller, rotwangiger Apfel, und so
ruhig Helga und Mantsche meistens waren, so munter und krähend benahm er sich.
Er war jetzt eben erst drei Jahre alt geworden, aber von seiner Männlichkeit
war er schon sehr durchdrungen. Er mußte durchaus Zigarren rauchen wie sein
Papa und lief deshalb gern mit einem Stück Holz im Munde herum. Er wollte
Postbote werden oder Milchmann wie der Herr Voß, der so schöne blanke Kannen hatte . Anderes kam gar nicht in Frage! Essen konnte er
immer, und seine Lieblingsspeisen waren Salzgurken und Räucherbückling.
Gerd und Elke liebten einander sehr,
und so wenig der kleine Bursche seinen Schwestern gehorchte, was Elke sagte,
tat er meistens sofort. Keiner wußte, wie das kam, denn Elke hatte ihn nie
besonders streng behandelt — es war eben so. Er tat Elke auch allerlei zuliebe.
Wenn er Blumen abpflückte, so schenkte er sie meistens ihr, und eine besondere
Vorliebe hatte er dafür, ihr etwas vorzulesen. Das ging so vor sich: Er setzte
sich mit ernster Miene irgendwo auf den Boden in Elkes Nähe und schlug das
dicke Bilderbuch auf, das er meist mit in Tadsens Garten herüberbrachte. Dann
schlug er eine Seite auf und begann zu lesen, zum Beispiel so: Da war auf der
Straße ein Hund —. Dann blätterte er eine Seite weiter: Der Hund bellte sehr —.
Wiederum eine Seite weiter: Die Leute mochten das nicht, daß der Hund bellte —.
Da kam ein Mann und sagte zu dem Hund, du sollst das nicht •—. Dieses
„Vorlesen“ dauerte oft mehrere Minuten, und wenn das Buch einmal durchblättert
war, wurde damit von vorne wieder angefangen. Elke hörte immer ganz ernsthaft
zu, und wenn das „Lesen“ an irgendeiner Stelle einmal nicht recht voran gehen
wollte, half sie mit einer kleinen Bemerkung ein, etwa, daß auch noch ein
anderer Hund anfing zu bellen oder daß auch noch Kinder auf der Straße gegangen
kamen.
Achim, der solches „Vorlesen“ einmal
miterlebte, machte Elke Vorwürfe, daß sie
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