Elke versteht das
nicht verübeln, dass sie sich an dieser duftmäßigen Aufrüstung der Nation beteiligt. Sie wäre ja blöd, wenn
sie abseits stehen würde, während jede Bäckereifachverkäuferin sich den Odeur von spanischen Stieren leisten und damit ihre
weibliche Kundschaft durch unbewusste Prägung an ihre Vierkornbrötchen fesseln kann.
Schmalenbach findet, dass Elke durch die neuen Düfte, die sie jetzt in Flaschen nach Hause bringt, gewinnt. Wer möchte nicht,
dass seine Frau, an der früher die Anzahl der am Vorabend gerauchten Zigaretten und die Marke ihres Lieblings-Likörs zu erschnuppern
waren, nach Wüstensturm oder nach Polarlichtern duftet?
Allerdings hat Schmalenbach den Eindruck, dass über der letzten demokratischen Revolution, die auch Putzfrauen und ALD I-Kassiererinnen in den Ruch von galaktischen Sex-Abenteuern und der Wall Street kommen lässt, der Sinn für die Dosierung verloren gegangen
ist. Er hat Elke zaghaft auf diesen Verdacht hin angesprochen.
»Ja, was glaubst du denn, was da draußen los ist? Wenn du mit einem Hauch von Moschus in die U-Bahn steigst, wirst du von tausend Tonnen von Apfelshampoo und Joop!-Diesel an die Wand gedrückt, dass dir Hören und Sehen vergeht.«
Das verstand Schmalenbach ja, aber musste Elke diese Großoffensive schon in ihrer Wohnung beginnen? Zu Hause wurde sie doch
von niemandem duftmäßig bedrängt. Schmalenbach verströmte nur seinen natürlichen Duft,und das auch noch sehr dezent. Wenn Elke sich aber zum Ausgehen rüstete, dann roch das Badezimmer wie eine gut geölte Raffinerie
und die Küche wie ein arabischer Basar.
Was Schmalenbach am meisten zu schaffen machte: Unter all den Aufputschdüften war die Frau, die er einmal zu der seinen erwählt
hatte, völlig verschwunden. Elke roch zwar jeden Tag überraschend neu – einmal nach Finca, ein andermal nach Lama. Aber wie
roch sie eigentlich als Mensch?
Im Bett durchlebte Schmalenbach wahre Wechselbäder. Hatte er eben noch geglaubt, eine scheue Taiga-Hirtin zu umarmen, musste
er jetzt erschrocken feststellen, dass er gerade dabei war, einen frisch geduschten NAS A-Piloten zu penetrieren. Das war nicht immer einfach für einen Mann, der ein wenig Verlässlichkeit und Geborgenheit brauchte, um sexuell
auf dem Quivive zu bleiben.
Frauen sind nirgendwo verletzlicher als bei ihrem Duft. Aber Schmalenbach war ja ein Meister der sensiblen Intervention. »Liebes,
dein neues Parfüm, das erregt mich unglaublich …«
»Kein Wunder. Es hat achtzig Euro gekostet und wird aus der Zirbeldrüse von weiblichen tibetanischen Säuglingen hergestellt.«
»Was?!!!«
Sie musterte ihn zufrieden. »Ich wollte nur deine Moral testen. Ich würde nie ein Parfüm benutzen, für das unschuldige Kinder
ihr Leben lassen müssen. Natürlich wird ›Rut‹ nicht aus der Zirbeldrüse von Säuglingen hergestellt, sondern aus den Schwanzflossen
von freiwilligen einjährigen Pinguinen aus der Arktis.«
»Aber in der Arktis gibt es gar keine Pinguine, Schatz.«
»Siehst du – deshalb ist ›Rut‹ auch so teuer. Sonst würde ja jede Tippse so riechen wollen und die Pinguine wären in Nullkommanix
ausgerottet.«
Aber Schmalenbach wollte wissen, wie seine Elke ohne all die fremden Duftstoffe roch. »Weißt du, was mich wirklich anmachen
würde? Was mir den Atem stocken lassen würde?«
»Ja. Aber das kommt für mich niemals infrage. Das habe ich dir schon oft gesagt.«
Sie verstand ihn wieder mal falsch. Oder wollte sie ihn falsch verstehen?
»Elke, was würdest du davon halten, einfach mal eine Pause einzulegen? Du könntest doch an einem Tag der Woche auf Parfüm
verzichten. Mich stört es nicht, wenn du so riechst, wie du ohne Parfüm riechen würdest.«
»Warum sollte ich das tun? Etwa aus religiösen Gründen?«
»Nein, um wieder einen Sinn für natürlichen Körpergeruch zu bekommen. Umso intensiver erlebt man danach die feinen Düfte aus
der Parfümerie. Du weißt ja, wie das beim Fasten ist: Im Grunde schärft man damit sein Lustempfinden.«
Doch Elke blieb skeptisch. »Hat dir das dieser Pfeifenberger eingeredet? Braucht ihr diesen Kick? Ist das das Letzte, was
einen, der schon alles ausprobiert hat, noch erregt?«
Schmalenbach blieb nichts anderes übrig: Er musste Klartext reden. »Ich kann die künstlichen Aromen nicht mehr ertragen, Elke.
Ich möchte wieder eine Frau im Arm halten, die so riecht, wie sie eben riecht.«
Elke brauchte eine Weile, um das zu verdauen. »Du
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