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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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speichert alles in seinem
     Hirn – kein Wunder, wenn er nicht liest, ist da oben ja auch genug Speicherplatz frei. Und bei nächster Gelegenheit wird das
     dann vor großem Publikum abgespult. Das ist das Geheimnisdes Großkritikers Eberhard. Und weißt du was, Schmalenbach: So wie dieser Eberhard machen es viele Männer.«
    Schmalenbach glaubte Elke. Er kannte ja seine Pappenheimer. Der Cartoonist Pfeifenberger machte es nicht anders als dieser
     Eberhard – nur dass dessen Frau Carola über Charlotte Roche und Eckart von Hirschhausen nicht hinauskam.
    Da hatten Schmalenbach und Elke ein ganz anderes, ein literarisch geradezu symbiotisches Verhältnis. Deshalb wagte es Schmalenbach,
     mit seinen Anfällen von Büchersucht zu Elke zu gehen. Wie jetzt – im Falle von »Moby Dick«. Dazu gehörte eben Vertrauen.
    »Lies du ruhig dein Buch! Ich kümmere mich inzwischen um unser Essen«, sagte sie milde. Ja, das war schon ein großes Glück,
     mit einer solchen Frau zusammen zu sein.
    Schmalenbach brauchte zwei Stunden. Dann war klar: »Moby Dick« war nicht mehr da.
    Er hatte alle Regale durchgesehen und sogar hinter die Bücher geschaut. Dabei waren erstaunliche Dinge aufgetaucht: Etwa eine
     Einladung nach Darmstadt zur Büchnerpreisverleihung aus dem Jahr 1991.   Allerdings trug sie nicht seinen Namen, sondern den Pfeifenbergers. Diese literaturhistorische Rarität musste mit ihrer gemeinsamen
     Freundin, der Bodybuilderin aus Darmstadt, zu tun haben, die mal kurz mit Peter Handke liiert gewesen war – oder war es Rolf
     Hochhuth?
    Dann stieß Schmalenbach auf Bücher, die er lange vermisst hatte. »Erinnerungen an die Zukunft« und »Morgens um sieben ist
     die Welt noch in Ordnung«.
    Nur »Moby Dick« fand sich nicht. Nicht einmal in der zweiten Reihe.
    Wenn Schmalenbach als Mensch, als Leser und als Mann weiterkommen wollte, musste er sofort dieses Buch lesen. Es wurde zu
     einem Zwang, zu einer Manie, zu seinem Karma: Ohne »Moby Dick« würde er nicht mehr über Literatur, über das Leben, über den
     Tod nachdenken und reden können. Ohne »Moby Dick« würde er diesen Tag nicht überstehen.
    Schmalenbach nahm den Kampf auf. Den Kampf um das Buch, das ihn retten sollte vor dem Nichts.
    »Elke!«
    »Jaaaa, mein Schatz.«
    »Hast du zufällig ›Moby Dick‹ aus dem Regal genommen?«
    »Ich?«
    »Könnte doch sein, oder? Manchmal nimmst du dir doch ein Buch und liest dich fest.«
    »Aber doch nicht   …« Elke verzog das Gesicht. »…   nicht ›Moby Dick‹. Ein Buch über einen Walfisch und einen einbeinigen Kapitän. Du weißt doch: Ich bevorzuge sensible Beziehungsgeschichten.
     So wie ›Salz auf unserer Haut‹.«
    Es gab nur eine Erklärung: Elke hatte »Moby Dick« verliehen. An ihre Freundin Erika. Diese Frau schien ja eine Bücherfresserin
     zu sein. Was in Ordnung war – nur in diesem Fall musste Schmalenbach auf seine Eigentumsrechte bestehen. Schließlich ging
     es um »Moby Dick« und Melville. Das war kein pausbäckiger Gewinner irgendeines Poetry-Slam-Wettbewerbes. Das war Weltliteratur.
    »Ganz sicher nicht«, sagte Elke. »Erika isst keinen Fisch.«
    »Was hat denn das damit zu tun? Sie will das Buch ja nicht essen, sie will es lesen.«
    »Trotzdem. ›Moby Dick‹ passt nicht zu meiner Freundin Erika. Sie hat sich bei Greenpeace engagiert. Glaubst du, da liest sie
     ein Buch, in dem ein Walfänger verherrlicht wird?« Schmalenbach hatte den Eindruck, dass seine Elke sich keine besonders große
     Mühe gab, das Verschwinden des Buches aufzuklären. Dabei musste man befürchten, dass sie seinen »Moby Dick« gedankenlos an
     ihre Freundin verliehen hatte und diese das Meisterwerk nun verschlang als sei es das letzte Werk von Judith Hermann oder
     ein neu entdeckter Thriller von Stieg Larsson.
    Dass Erika seinen »Moby Dick« las – das war ja noch zu verkraften. Aber dass ihr Lebensgefährte, dieser windige Eberhard,
     sich mit Erikas Leseeindruck aus Schmalenbachs Liebhaberausgabe dann beim nächsten Empfang des Kulturdezernenten dicke tat,
     das wurmte Schmalenbach sehr.
    Er ging in die Küche. »Würde es dir etwas ausmachen, deine Freundin Erika anzurufen und sie zu bitten, mir umgehend meinen
     ›Moby Dick‹ zurückzugeben?«
    Elke war gerade dabei, die Gorgonzola-Soße für die Nudeln anzurühren. Das erforderte nicht nur ungewöhnliches Geschick, sondern
     auch Sinn für Timing. Deshalb fiel ihre Antwort auch lakonisch aus: »Lies doch ›Salz auf unserer Haut‹!«
    Dabei

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