Elke versteht das
Entweder ihr macht euch darüber lustig oder aber ihr beschimpft uns als Sexisten.«
Die beiden Frauen aalten sich im Anblick der verschreckten Männer. »Das kommt ganz auf eure Phantasien an.« Elke steckte sich
schon wieder eine Zigarette an. Gerne hätte Schmalenbach sie an ihren Vorsatz erinnert, weniger zu rauchen, doch in dieser
brisanten Situation wollte er sie auf keinen Fall reizen.
»Und was ist mit euch?«, stieß Pfeifenberger hervor. »Ihr macht uns Vorhaltungen, weil wir Diskretion üben. Wenn man euch
aber nach euren sexuellen Phantasien fragt, bekommt man immer das Gleiche zu hören: Frauenträumen, dass sie nackt über eine blühende Wiese laufen. Oder dass sie in Eselsmilch baden. Das Verlogene daran ist, dass
in diesen angeblichen Phantasien keine Männer vorkommen. Es sind die gereinigten Versionen, die ihr euch untereinander erzählt,
damit ihr euch gegenseitig versichern könnt, wie sensibel und originell ihr seid. Da sind wir Männer einfach ehrlicher: Anstatt
uns solche Dummheiten auszudenken, schweigen wir lieber.«
Schmalenbach hätte ihm gerne beigepflichtet. Pfeifenberger sprach das aus, was die Männer schon lange dachten: Die Frauen
waren Heuchler. Ständig mussten sie sich gegenseitig auf die Schultern klopfen und versichern, wie toll und weiblich sie doch
waren. Keine von ihnen traute sich zuzugeben, dass sie schmutzige Phantasien hatte. Schmalenbach freute sich, dass sein Freund
Pfeifenberger diesen verlogenen Weibern endlich mal die Wahrheit ins Gesicht gesagt hatte. Das hatte ihm gutgetan. Richtig
gut.
»Was lächelst du denn so versonnen, Schmalenbach«, hörte er Elke sagen – und erschrak.
»Sicher hat er gerade mal wieder eine von den versauten Phantasien, von denen mein Mann so schwärmt«, höhnte Carola Pfeifenberger.
Bevor Schmalenbach etwas entgegnen konnte, sprang ihm sein Freund zur Seite – und das war nicht immer ein Vergnügen. »Na und?
Wenigstens in seiner Phantasie kann er er selbst sein: Er begattet antike Zwitterwesen und vierzehnjährige Nymphen aus der
Turn-Nationalmannschaft. Er lässt sich mit schönen Jünglingen vom Bahnhof ebenso ein wie mit knackigen Seniorinnen aus der
Nachbarschaft. Er entblößt sich vor der Grünen-Fraktion imStadtrat und schaut protestantischen Bischöfinnen beim Bad auf der Tenne zu.«
»Schmalenbach!«, schrie Elke auf. »Wie kommst du dazu, in deiner Phantasie der Grünen-Fraktion beim Bad auf der Tenne zuzuschauen?«
»Falsch. Er entblößt sich vor der Grünen-Fraktion. Das mit dem Bad auf der Tenne waren die protestantischen Bischöfinnen«,
korrigierte Pfeifenberger sachlich.
»Das ist ja noch schlimmer«, schimpfte Elke. »Moment!«, protestierte Schmalenbach. »Das sind doch nur Hypothesen von Pfeifenberger.
In Wirklichkeit …«
»Jaaaaa?«
»… in Wirklichkeit habe ich seit Jahren immer die gleiche Phantasie.«
»Gruppensex mit Cindy und Bert«, fiel der eifrige Pfeifenberger ihm ins Wort.
»Nichts dergleichen«, sagte Schmalenbach – und schwieg.
»Was ist jetzt?«, rief Carola. Und Elke schüttelte entsetzt den Kopf.
»Es ist … Ich scheue mich, es auszusprechen«, bekannte Schmalenbach. »Ich möchte nicht, dass ihr mich deswegen verurteilt. Wir sind
doch aufgeschlossene, intellektuelle und moderne Menschen, die wissen, dass der Sex nicht das Wichtigste ist …«
»Raus damit!«, schrien sie wie aus einer Kehle.
Da konnte Schmalenbach nicht mehr anders. Auch wenn er sich um Kopf und Kragen redete. »Wenn ich ganz allein bin und mich
völlig unbeobachtet fühle, dann stelle ich mir vor, dass ich … Ihr müsst mir aber schwören, dass niemand außerhalb dieses Raumes es erfährt.«
Natürlich schworen sie alle Stein und Bein zu schweigen.
»Ich stelle mir also vor, ich hätte Sex. Ziemlich guten Sex. Und zwar mit …«
»Mit wem denn nun?«, entfuhr es Carola Pfeifenberger.
Schmalenbach gab sich einen Ruck. »Mit Elke.«
Danach herrschte eine ganz unwirkliche Stille. Jeder war mit sich und seiner Scham beschäftigt. Irgendwann murmelte Pfeifenberger
unwillig: »Ist es denn wenigstens irgend etwas Perverses, vielleicht dass du sie mal kräftig …«
»Pfeifenberger!«, unterbrach ihn Elke. »Bis hierher und nicht weiter!«
Danach gab es nicht mehr viel zu besprechen. Die Pfeifenbergers verabschiedeten sich ziemlich wortkarg, und Elke räumte noch
das Geschirr weg. Nachher beim Zubettgehen sagte sie plötzlich: »Das hätte ich nicht
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