Elke versteht das
Lifemusik. Und du könntest was lesen. Bittebitte. Erika zuliebe. Sie mag so gerne Prosa.«
»Ich? Wieso ich? Was habe ich mit dieser Erika zu tun?« Schmalenbach wurde es abwechselnd heiß und kalt.
»Du bist natürlich auch eingeladen.«
»Aber wir kennen uns doch gar nicht.« Besser gesagt: Man ging sich aus dem Weg. Erika war nämlich wie alle besten Freundinnen
Elkes: vorlaut, unsensibel, dreist und frigide.
Und was das Allerschlimmste war: Sie hatte etwas gegen Schmalenbach. Zumindest vermutete Schmalenbach das aufgrund ihres vorlauten,
unsensiblen, dreisten und frigiden Betragens ihm gegenüber.
Schmalenbach hatte keine Lust, einen Abend mit Erika und ähnlich gelagerten Frauen zu verbringen. Wie er den Freundinnen-Kreis
um Elke einschätzte, würde zu der ominösen Geburtstagsfeier außer ihm kein einziger Mann erscheinen. Zudem musste man sich
bei Erika, der keinBier ins Haus kam, einen Abend lang an einem Glas Prosecco festhalten. Von den Sottisen der Gastgeberin ganz zu schweigen.
»Aber Erika ist ein Fan von dir. Sie liest alle deine Werbeslogans.«
Wie man sich doch in einem Menschen täuschen konnte. Vielleicht war Erikas vorlautes Verhalten einfach Unsicherheit gegenüber
seinem eloquenten Auftreten, ihre Dreistigkeiten waren Abwehrreaktionen eines sensiblen weiblichen Charakters, der sich nicht
ohne Weiteres auf einen starken männlichen Widerpart einlassen konnte. Und unter der Oberfläche der Frigidität versteckte
sie die Erregung, in die die sinnliche Erika geriet, wenn sich ihr ein Mann, ein richtiger Mann, näherte.
»Du glaubst ja gar nicht, wie sie sich freuen würde, wenn du an ihrem großen Abend ein oder zwei deiner Gedichte vortragen
würdest.«
Ging es nicht um Prosa? Elke nahm es mit den Gattungsdefinitionen eben nicht so genau. Aber ihre Freundin Erika war eine kultivierte
Frau, die es zu schätzen wusste, einen Autor unter ihren Gästen zu haben. Warum also sollte er da pingelig sein und jedes
ihrer Worte auf die Goldwaage legen? Vielleicht hatte sie das damals gar nicht so gemeint, als sie ihn einen aufgeblasenen
Windmacher genannt hatte. Oder als sie behauptet hatte, er habe einen Sprachfehler. Ausgerechnet er, wo er doch seine Sachen
so gerne selbst vortrug.
»Und was du mir erst für eine große Freude machen würdest, wenn du zu Erikas Geburtstag kommen würdest. Ich bin doch so stolz
auf dich – du liest, und alle meine Freundinnen hören zu. Dann würden sie endlich verstehen,was ich an dir finde, und nicht mehr unentwegt an dir rumnörgeln.«
»Wer tut das?!«, fuhr Schmalenbach hoch.
»Eigentlich niemand. Vor allem nicht Erika. Die verteidigt dich sogar, wenn die anderen ständig über dich herfallen.«
In seiner großen Güte übersah Schmalenbach den feinen Widerspruch in Elkes Rede. Ja, er würde zu Erikas Geburtstag gehen.
Elke fiel ihm um den Hals. Sie war ja so glücklich.
»Unter einer Bedingung!«, sagte Schmalenbach. »Während ich lese, darf keine Musik gemacht werden, und es wird auch nicht getanzt.«
Langsam zeigte es sich, dass Elke aus dem jahrelangen Zusammensein mit einer Künstlernatur einiges gelernt hatte. »Ich werde
mit Erika reden.«
»Entweder es herrscht vollkommene Stille, oder ich komme nicht!«
»Natürlich. Das ist unsere Bedingung.«
Schmalenbach fand es rührend, dass sie »unsere« gesagt hatte. Deshalb umarmte er seine Elke. Jetzt waren sie beide glücklich.
Was machte es schon aus, wenn Schmalenbach sich einen Abend lang mit Prosecco begnügen musste? Er bekam zwar Sodbrennen davon
– aber er wurde auch entschädigt: durch die tiefsinnigen und emphatischen Gespräche mit Erika und ihren Gästen über seine
Gedichte und seine unnachahmliche Art des Vortrages.
»Meinst du, wir sollten etwas mitbringen?«, fragte Schmalenbach ein paar Tage später.
Elke wirkte geistesabwesend. »Wohin?«
»Zu Erikas Geburtstagsfest. Ich könnte eine Bowle machen.Das mögen deine Freundinnen doch. Oder zwei, drei meiner unnachahmlichen Knoblauchbrote mit Bärlauch.«
»Ach, lass mal! Von Bärlauch bekomme ich Blähungen.«
»Also nur Bowle. Wo bekommt man bloß zu dieser Jahreszeit frischen Waldmeister her?«
Elke schwieg verdächtig lange. »Hast du was?«, fragte Schmalenbach schließlich.
»Erika hat sich entschlossen, etwas kleiner zu feiern.«
»Dann eben nur einen Liter Bowle. Oder meinst du noch weniger?«
»Erika sagt, sie findet ihren Geburtstag nicht mehr so wichtig. Es gibt so viel
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