Elke versteht das
von dir gedacht.«
Dieser Satz traf Schmalenbach mitten ins Herz. »Ist es denn so schlimm für dich?«
»Es ist nicht schlimm. Es ist nur feige. Anstatt zu den Schweinereien zu stehen, die du dir ausdenkst, wenn ich mal für fünf
Minuten das Haus verlasse, versteckst du dich hinter mir. Irgendwie finde ich das schäbiger als Pfeifenbergers Phantasien.«
Schmalenbach flehte sie an: »Es ist die Wahrheit. Ich stelle mir vor, dass wir beide ganz normalen Sex miteinander haben.
Das macht mich an.«
Elke wirkte ein wenig ratlos. »Aber das ist doch schrecklich spießig, oder?«
»Für mich nicht. Für mich ist es das Schärfste, was ich mir vorstellen kann.«
Das gab Elke zu denken. Bevor sie einschlief, küsste sie ihn auf die Stirn. »Macht es dir etwas aus, wenn wir heute Abend
mal keinen Sex miteinander haben?«, fragte sie noch ganz schuldbewusst. »Ich bin ein bisschen müde und – ehrlich gesagt –
auch etwas durcheinander.«
»Nein, das macht mir gar nichts aus.« Warum auch? Wenn er es wollte, konnte er sich ja vorstellen, dass er Sex mit ihr hatte.
Das war fast genauso schön.
Mitten in der Nacht läutete das Telefon. Pfeifenberger. Ziemlich fertig. »Ich habe über den gestrigen Abend nachgedacht. Schmalenbach,
du warst verdammt mutig, das einzugestehen. Wir Männer sind ja wirklich etwas empfindlich, wenn es um unsere sexuellen Phantasien
geht. Wir sind Freunde, und deshalb möchte ich dir auch etwas gestehen …«
Das war rührend, wirklich rührend. Schmalenbach wusste sehr gut, was Pfeifenberger ihm sagen wollte: Dass es bei ihm genauso
war wie bei Schmalenbach. Dass es ihn auch am meisten erregte, wenn er sich den Sex mit seiner eigenen Frau vorstellte. Sie
waren doch beide aus dem gleichen Holz geschnitzt.
»Ich muss dir gestehen, dass es bei mir genauso ist wie bei dir. Auch wenn es schrecklich spießig klingt.« Na also. »Du stellst
dir also in deinen sexuellen Phantasien auch vor, du hättest Sex mit deiner Frau? Schön, dass du das zugibst, Pfeifenberger.«
»Mit meiner Frau?! Wie kommst du denn auf so was? Mit der habe ich doch täglich Sex. Nein, ich stelle mir ebenso wie du vor,
Sex mit DEINER Frau, mit Elke zu haben …« Schmalenbach war empört. »Pfeifenberger, das habe ich jetzt nicht gehört.«
Doch Pfeifenberger kam richtig in Fahrt. »Es ist super, stimmt’s? Sie ist so herrlich normal. Und wie sie sich immer ziert.
Was mich am meisten anmacht, ist ihre einfallslose Unterwäsche. Und dann immer nur die gleiche Stellung: Sie auf dem Rücken,
ich oben. Ich werde wahnsinnig, wenn ich daran denke.«
Schmalenbach legte auf. Er brauchte eine Weile, bis er wieder klar denken konnte. Und dann rief auch noch Elke aus dem Schlafzimmer:
»Wer hat denn angerufen?«
DER VORLESER
»Weißt du, wie du mir eine ganz große Freude machen könntest?«
Wie konnte Schmalenbach Elke eine ganz große Freude machen? Indem er endlich »Salz auf unserer Haut« las – das Geschenk, das
seit vielen Jahren, noch eingeschweißt, hinter dem Großen Brockhaus steckte? Oder indem er eine Woche lang Tofu anstatt Wurst
aß?
Selbst wenn er beides tat – Elkes Wünsche änderten sich täglich, wenn nicht sogar stündlich. War gestern noch »Salz auf unserer
Haut« ihre Bibel, konnte sie das Buch heute als Pornographie ablehnen und Schmalenbach als Schmutzfink verdammen, wenn er
es las. Ebenso war es mit Tofu: Schmalenbach verzichtete eine Woche lang auf seine Pfälzer Leberwurst und musste sich dann
am Samstag bittere Vorwürfe gefallen lassen, weil Elke plötzlich Lust auf etwas Herzhaftes bekam, sich aber im Kühlschrank
nur Schinkenpastete auf Sojabasis fand.
Schmalenbach hatte das Gefühl, dass er tun oder lassen konnte, was er wollte – es würde ihm nicht gelingen, Elke eine ganz
große Freude zu machen. Warum also sollte er sich noch anstrengen?
»Du weißt doch, dass meine beste Freundin bald Geburtstag hat.«
Gar nichts wusste Schmalenbach. Er wusste nicht einmal, wer Elkes derzeit beste Freundin war.
»Erika möchte diesmal groß feiern. Ich freue mich schon wahnsinnig.«
Am liebsten hätte Schmalenbach jetzt gejubelt: Geh ruhig hin. Entspanne dich mal für einen Abend. Ich kümmere mich derweil
um die Kinder. Aber sie hatten ja keine Kinder. Immer wenn man sie brauchte, hatte man keine. Ein Jammer.
»Erika hat schon seit Jahren nicht mehr gefeiert. Deshalb soll es diesmal auch ein Riesenfest werden. Mit allem drum und dran.
Büfett.
Weitere Kostenlose Bücher