Elkes Sommer im Sonnenhof
ich mir nichts!“ sagte sie.
„Ich auch nicht!“ knurrte Achim von seinem Platz
herüber.
Auch Tante Irmgard war freundlich zu Elke. Es
hatte ihr schon gestern abend sehr bald leid getan, daß sie das Kind nach
seiner fleißigen Arbeit im Heu ohne Abendessen und ohne freundlichen
Gutenachtgruß ins Bett geschickt hatte; aber sie war nun einmal zu ärgerlich
gewesen.
Heute morgen jedoch ließ sie Elke davon nichts
mehr merken. Sie fragte, ob Elke auch gut geschlafen habe und nicht etwa aus
Übermüdung nicht habe einschlafen können. O nein, Elke hatte prachtvoll
geschlafen! Frau Wendel sorgte dafür, daß das Kind beim Frühstück ordentlich
zulangte und mehr Milch trank als gewöhnlich.
Katje war glücklich, daß von dem befürchteten
Abreisenmüssen keine Rede war. —
Und wie war’s mit den beiden Kampfhähnen selber?
Vertrugen sie sich bald wieder? — O nein!
Herr Berge bekam die ersten Kostproben davon.
Es fing damit an, daß Elke sich nicht wie sonst
neben Achim an den großen Tisch im Schulzimmer setzte, sondern am äußersten
Ende, gut anderthalb Meter entfernt von ihm, Platz nahm. Und im
Deutschunterricht war es dann so, daß Elke bei der Besprechung eines Gedichtes
stets das Gegenteil von dem behauptete, was Achim für richtig hielt. Als
Entgelt dafür prustete Achim laut heraus, als Elke sich im Rechenunterricht
einmal verrechnete, was Elke ihm natürlich bei der nächsten Gelegenheit
heimzahlte.
Das blieb zwei Tage lang so, und da Elke die
Unnachgiebigere zu sein schien, redete Herr Berge ihr eines Mittags ins
Gewissen.
„Sei jetzt vernünftig“, sagte er zu ihr. „Achim
traut sich sowieso nicht viel zu in seinen Leistungen. Wenn du ihn jedesmal
auslachst, weil er etwas falsch sagt oder die Antwort schuldig bleibt, dann
verliert er noch sein letztes bißchen Mut. Er soll doch die Prüfung machen und
hat große Angst, sie nicht zu bestehen; denn Herr Wendel hat gesagt, daß er in
die Dorfschule kommen soll, wenn er durchfällt.“
„Aber das war doch sicher nur Spaß von Onkel
Hannes!“
Der Lehrer schüttelte ernst den Kopf. „Das
glaube ich nicht. Herr Wendel führt das aus, was er einmal gesagt hat.“
Elke sah betroffen vor sich hin.
„Sieh mal“, sprach der Lehrer weiter. „Du
möchtest doch sicher nicht, daß du womöglich mit schuld daran bist, wenn Achim
die Prüfung nicht besteht. Wenn du es jetzt noch weiter so machst, daß du Achim
bei jeder Kleinigkeit auslachst, denkt er vielleicht auch bei der Prüfung, daß
ja doch alles verkehrt ist, was er sagt, und gibt sich gar nicht erst richtig
Mühe.“
Elke wehrte sich. „Achim lacht ja auch, wenn ich
was falsch sage!“ Ihr Einspruch klang aber so matt, daß der Lehrer wußte, sie
hatte durchaus richtig verstanden, was er ihr zu bedenken gegeben hatte.
„Sei nur wieder nett zu Achim!“ sagte er deshalb
abschließend.
Elke lächelte ein bißchen beschämt. O nein, das
wollte sie natürlich nicht, daß Achim in die Dorfschule käme. Da konnte er
längst nicht soviel lernen, wie er wollte. —
Herrn Berges Ermahnungen hatten Erfolg. Elke
begrub die Streitaxt und überlegte sich sogar, ob sie Achim nicht irgendwie
helfen konnte, daß er seine Prüfung bestand. Da fiel ihr die Glückslocke wieder
ein.
„Du, Achim“, sagte sie einige Tage später zu
ihm, als er eine Lateinarbeit schreiben sollte, vor der er großen Bammel hatte,
„ich streiche mit meiner Glückslocke über dein Heft. Du wirst sehen, du
schreibst ‘ne Eins!“
Achim schrieb tatsächlich eine Eins, wollte dann
aber doch nicht zugeben, daß die Glückslocke etwas damit zu tun gehabt hatte.
„Wenn nur erst die Antwort vom Stuttgarter
Rundfunk da wäre!“ seufzte Elke. „Sicher wird es eine gute Antwort, und dann
mußt du glauben, daß die Glückslocke was nützt!“ —
Die ersehnte Antwort kam am folgenden Tag wie
gerufen.
Elke und Katje wollten Emilie eine Stickschere
bringen, die die Freundin gestern bei ihnen vergessen hatte. Emilie war nicht
zu Hause, aber der Großvater empfing die beiden und zeigte ihnen freudestrahlend
eine Postkarte, die der Briefträger soeben gebracht hatte. Die Karte trug
folgenden Wortlaut:
„Liebe Emilie! Deinen Brief haben wir erhalten.
Wir versprechen Dir, sorgfältig zu prüfen, ob wir für Deinen Vater eine
Stellung haben. Wir werden jetzt die notwendigen Rückfragen bei Deinem Vater
anstellen über seine Ausbildung und seine bisherige Beschäftigung. Es ist gut,
daß Du uns seine Anschrift gleich mitgeteilt
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