Elkes Sommer im Sonnenhof
auch!“ fügte Katje hinzu.
„Na, und du, Achim?“ fragte die Mutter.
Achim löffelte tapfer drauflos. „Man kann froh
sein, wenn man immer Graupensuppe hat.“
Aha, es war klar, daß die Kinder mit dem
Verschwinden der Ente etwas zu tun hatten, sonst hätten sie andere Antworten
gegeben.
„Es ist Lisbeth ganz unerklärlich, wo die Ente
geblieben ist“, meinte die Mutter jetzt.
Schweigen. Die Kinder löffelten ihre Suppe.
Da sah Herr Wendel plötzlich ganz verändert aus.
Er runzelte die Stirn und sagte: „Wenn ich den Dieb herauskriege, dann soll der
die Engel im Himmel singen hören!“
Katje blieb ein Stück Kartoffel im Halse stecken
vor Schreck. Um Himmels willen! Wenn es nun herauskam, daß Elke gestern abend
die Ente weggeholt und in die alte Hundehütte neben dem Wagenschuppen
eingesperrt hatte, weil sie nicht wollte, daß sie geschlachtet wurde! Herr
Berge hatte doch neulich gesagt, daß Achims Vater immer das ausführte, was er
sagte.
Nun legte sich der Lehrer ins Mittel: „Vielleicht
hat der Betreffende sich weiter gar nichts Böses gedacht.“
„Das ist mir ganz einerlei!“ knurrte Herr
Wendel. „Dieb ist Dieb. Wer sich fremdes Eigentum aneignet, ist ein Dieb und
wird als solcher bestraft. Da kenne ich keine Gnade!“
Achim hatte seinen Teller zuerst leergegessen,
und die Mutter fragte ihn, ob er noch mehr Suppe wünsche.
„Bloß nicht!“ Dem Jungen kam es so sehr von
Herzen, daß die Mutter trotz des Ernstes der Lage lachen mußte.
Der Vater machte weiter sein strenges Gesicht.
„Ich finde den Dieb ja bestimmt“, sagte er nun.
Achim forschte in dem Gesicht seines Vaters. Ihm
war noch die fürchterliche Strafrede in Erinnerung, die der Vater ihm nach der
Rauferei mit Elke gehalten hatte. Es war durchaus möglich, daß der Vater die
Sache mit der Ente sehr schlimm nahm. Arme Elke! Sie hatte sich über ihren Spaß
so gefreut, und nun saß sie da und wagte nicht, von ihrem Teller hochzugucken.
Wieder legte Herr Berge sich ins Mittel. „Vielleicht
hat irgend jemand, dem es leid tat, daß die hübsche Ente geschlachtet werden
sollte, sie aus ihrem Gefängnis befreit.“
Aber auch diesmal fand er keinen Beifall bei
Herrn Wendel. „Ich lasse gar keine Entschuldigung gelten!“ erwiderte er, streng
zu Elke hinüberblickend.
Elke durchfuhr es kalt. Da hatte sie etwas
Schönes angerichtet! Es war ja richtig, sie hätte die Ente nicht einfach
wegnehmen dürfen. Sie hätte fragen müssen, ob die hübsche Ente, die jeden
Morgen ein großes Ei legte, nicht leben bleiben durfte.
Natürlich wußte Onkel Hannes längst, wer der
Entendieb war. Es stand Elke im Gesicht geschrieben, sobald die Rede auf das
Verschwinden der Ente kam. Aber es war ihm plötzlich der Gedanke gekommen, daß
er Elke einmal auf die Probe stellen könnte. Würde sie tapfer sein und ihren
Streich zugeben, auch wenn schlimme Folgen angedroht waren?
Es kam anders, als Vater Wendel gedacht hatte.
Er fing noch einmal in scheinbar großem Ärger von dem Entendiebstahl zu
sprechen an, da stand Achim plötzlich auf und sagte: „Vater, ich habe die Ente
weggeschafft!“
„Du bist der Taugenichts gewesen?“ fragte Vater
Wendel mit finsterem Gesicht.
„Ja, ich!“
„Bilde dir nicht ein, daß du leichten Kaufs
davonkommen wirst, mein Lieber!“
Achim stand da und hatte eine genauso tief
gerunzelte Stirn wie sein Vater. Die beiden sahen sich jetzt geradezu
unglaublich ähnlich.
Achim sah auf Elke. Daß sie sich nicht
unterstand und ihm jetzt hineinredete! Mit seinem Vater war nicht zu spaßen,
und er wollte für sie die Schuld auf sich nehmen. Er war kein Muttersöhnchen!
Das sollte sie jetzt sehen! Er zwang Elke mit seinen Blicken, zu schweigen.
„Du verdientest eine gehörige Tracht Prügel“,
sagte der Vater jetzt.
Achims Mund war so schmal, daß man die Lippen
überhaupt nicht mehr sah.
Frau Wendel saß schweigend da und sah Elke nicht
an. Elke war es doch gewesen, die die Ente beiseitegeschafft hatte! Wie kam ihr
Mann dazu, Achim für den Schuldigen zu halten? Achim opferte sich ganz bestimmt
nur.
Da sprang Elke mit solcher Heftigkeit auf, daß
der Stuhl umfiel. „Nein, ich will das nicht — ich bin es gewesen!“ sagte sie
mit hochrotem Kopf.
Der Vater verriet nicht, daß er von Anfang an
gewußt hatte, daß Achim unschuldig war. Er war sehr glücklich darüber, daß
beide Kinder bei der Prüfung, die eigentlich nur eine Prüfung für Elke hatte
sein sollen, so gut abgeschnitten hatten: Achim, weil er
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