Elkes Sommer im Sonnenhof
Mutter
kurz danach kam, wälzten die beiden Kämpfenden sich auf dem Boden. Achim hatte
große Kratzer im Gesicht, und Elkes Nase blutete. Beider Kleidung war
zerrissen.
Frau Wendel ließ sich von Achim erzählen, wie es
zu dem Streit gekommen war, und dann wurden beide Sünder in ihre Schlafzimmer
geschickt. Mochten sie heute hungrig zu Bett gehen!
Katje schlich betrübt umher. Sie hätte Elkes
Stubenhaft gern geteilt, aber die Tante Irmgard wollte sie dafür belohnen, daß
sie vernünftig geblieben war. Es gab nach dem Abendessen Erdbeeren mit
Schlagsahne, und davon sollte sie essen dürfen, soviel sie konnte. Und dabei hätte
die treue Katje viel lieber mit Elke gefastet!
Um halb acht Uhr durfte sie dann endlich zu Bett
gehen. Elke schlief schon fest, als sie in das Zimmer kam, aber Katje weckte
sie.
„Wie kannst du schlafen, als wenn nichts gewesen
wäre!“ sagte sie vorwurfsvoll. „Achims Vater hat ein furchtbar wütendes Gesicht
gemacht, als er von eurer Hauerei gehört hat. Ich glaube bestimmt, daß wir
abreisen müssen!“
Elke war schlaftrunken und begriff die Worte der
Freundin deshalb kaum. „Laß doch!“ brummte sie und zog die Steppdecke über den
Kopf, um weiterzuschlafen. - -
Katje hatte recht berichtet: Vater Wendel hatte
ein unwilliges Gesicht gemacht, als seine Frau und dann auch Katje ihm von
Achims und Elkes Streit erzählt hatten. Aber dieses unwillige Gesicht hatte nur
Achim gegolten. Ja, ihm allein und nicht Elke!
Herr und Frau Wendel saßen jetzt zusammen auf
der Terrasse und besprachen das Vorkommnis.
„Ich kann Achim nicht in Schutz nehmen“, sagte
der Vater. „Er hat zuerst drauflosgehauen, und das ist unerhört. Abgesehen davon,
daß er ein Junge ist: Elke ist unser Gast, und er mußte sich deshalb auf jeden
Fall zurückhalten.“
„Aber Elke hat ihn sehr gekränkt“, wandte Frau
Wendel ein. „Sie hat gesagt, er habe gelogen. Das hätte sie nicht tun dürfen!“
Achims Vater blies den Rauch seiner Zigarre in
die Luft und antwortete nach einer Weile: „Man muß sich in Elke
hineinversetzen. Sie kommt angestrengt und müde aus dem Heu nach Hause — ich
hab’ mit Bröse gesprochen, die Kinder haben wirklich tapfer alles getan, was in
ihrer Kraft stand — , da sieht sie Achim mit seinem Schmöker dasitzen. Als sie
ihn gefragt hatte, ob er nicht auch mit ins Heu gehen wollte, hatte er
geantwortet, daß er zuviel für seinen Unterricht zu tun hätte. Und nun sitzt er
da und liest! Das muß Elke ärgern, und die Ausrede wegen der vielen
Schularbeiten nennt sie Lüge. Ich hätte mich an Elkes Stelle wahrscheinlich
genauso benommen.“
Frau Wendel schüttelte den Kopf. „Du verlangst
immer von Achim, daß er zuallererst an seine Schularbeiten denkt, und tut er
das, so ist es auch nicht recht. Du kannst Herrn Berge fragen, Achim hat in
diesen Tagen sehr fleißig gearbeitet. In seinem Geschichtenbuch hat er nur
gelesen, um sich auszuruhen.“
„Alles schön und gut.“ Der Vater machte eine
unwillige Handbewegung. „Ich spreche dem Jungen nicht ab, daß er fleißig ist.
Aber er ist zu schlapp. Wenn die Spielkameraden — und nun gar die Kameradinnen!
— zu ihm kommen und sagen: Du, wir gehen ins Heu, machst du mit? da hat er zu
antworten: Selbstverständlich mache ich mit! Und wenn er zehnmal keine Lust
hat, und wenn er auch denkt, daß wir es ihm der Schularbeit wegen vielleicht
nicht erlauben. Er fragt uns aber gar nicht erst, sondern er entscheidet so,
wie seine Unkameradschaftlichkeit und Bequemlichkeit es ihm eingeben. Ich werde
froh sein, wenn Achim erst in der Schule ist und sich nach anderen Kindern
richten muß. Und wenn er die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium nicht besteht,
kommt er in die Dorfschule. So wahr ich hier sitze!“
„Ja, sieh mal, das hast du auch schon zu Achim
gesagt, und damit ängstigst du ihn. Er will doch so gern Gelehrter werden. Er
träumt davon, als Geschichtsforscher in alten Bibliotheken herumzustöbern.“
„Ich lege erst mal Wert darauf, daß ein
richtiger Kerl aus ihm wird!“ entgegnete Vater Wendel. —
Elke wurde am nächsten Morgen ganz anders am
Kaffeetisch empfangen, als Katje es erwartet hatte.
Onkel Hannes lachte sie an und nahm sie bei den
Schultern: „Zeig mal deine Nase her! Ist sie noch dick? Nee? Schade! Du hättest
es sicher gern gehabt, wenn dir jeder gleich angesehen hätte, daß du einer
Hauerei nicht aus dem Wege gehst!“
Elke gab das Lachen zurück. Ihre weißen Zähne
blitzten. „Gefallen lasse
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