Ella und das große Rennen
leider nicht genau, wo, nur dass dort angeblich der Pfeffer wächst. Jedenfalls muss es sehr weit weg sein, und wir hoffen natürlich, dass wir da wirklich mal hinfahren. So eine Konzertreise bildet bestimmt auch.
Für den Rest der Musikstunde war der Lehrer dann ein bisschen niedergeschlagen. Wahrscheinlich hätte er lieber weitermusiziert. Uns trug er auf, still zu sein und ein bisschen was zu zeichnen. Von da an machten wir keinen Mucks.
Das einzige Geräusch, das man irgendwann hörte, kam von dem Radiergummi, der Pekka runterfiel und dann die Treppe runterhüpfte und den Lehrer der 5€ am Kopf traf. Das gefiel ihm anscheinend nicht so gut wie unser Lied, jedenfalls nahm er eine Tube Alleskleber und schmiss sie nach unserem Lehrer. Unser Lehrer wich natürlich aus, und die Tube traf den Lehrer der Klasse 1X am Po. Es tat ihm wahrscheinlich nicht weh, aber er strauchelte und stieß eine Kiste Bastelperlen um, die neben ihm auf der Treppe stand. Es klackerte ganz schön, aber richtig laut wurde es erst, als die ganze 1X hinter den hüpfenden Perlen herrannte und die aus der 5€ sie schnell einsammeln wollten, um die aus der 1X zu ärgern. Es war ein Höllenkrach, aber sonst was es mucksmäuschenstill.
Danach war Pause, aber wir trauten uns nicht weit von unserer Treppe weg, weil wir Angst hatten, uns wieder zu verlaufen. Es war nur alles ein bisschen eng, weil es nicht nur uns so ging und sich die anderen Klassen auch alle auf den Fluren herumdrückten.
Dann hörte man es auf einmal rauschen. Es war ein bisschen, als hätte irgendwo jemand eine Dusche aufgedreht. Das Rauschen wurde immer lauter, und in der Mitte des langen Flurs, in dem wir standen, tat sich wie von Zauberhand eine Gasse auf. Alle, auch die Lehrer, traten links und rechts an die Wand zurück. Nur wir von der 2Z blieben, wo wir waren. Als das Rauschen verstummte, wurde es gespenstisch still.
Am Ende der Menschengasse stand ein Junge, ungefähr so groß wie wir. Er trug einen roten Overall und eine rote Kappe mit einem schwarz-gelben Abzeichen. Was genau das Abzeichen darstellte, war aus der Ferne nicht zu erkennen, aber der Junge sah toll aus. Wie ein Formel-1-Rennfahrer in Klein. Für einen Augenblick dachte ich, dass irgendwo ein Presslufthammer loslegte, aber dann war es nur mein Herz, das so laut pochte. Wie ich Hanna gesagt hatte: Ich war bereit für die große Liebe. Und genau jetzt fing es an.
»Aus dem Weg!«, sagte der Junge mit leiser Stimme.
Die Menge an den Wänden kam in Bewegung, und wer konnte, zog sich noch weiter zurück.
»Wen meint er damit?«, fragte Hanna.
»Euch! Macht, dass ihr da wegkommt!«, flüsterte ein Mädchen, das sich hinter uns ängstlich gegen die Wand drückte.
»Ich denke nicht daran, ihm aus dem Weg zu gehen – im Gegenteil!«, seufzte ich.
»Warum auch? Hier ist doch genug Platz, wenn er vorbeiwill«, wunderte sich die praktisch veranlagte Hanna.
»Was
der eine
will, muss man tun!«, flüsterte das Mädchen und schlüpfte hinter einen der Mäntel, die neben ihr an der Hakenleiste hingen.
Der eine!
Der Junge im roten Overall war also
der eine
, vor dem sich alle an der Schule fürchteten. Sogar die Lehrer! Dabei sah er gar nicht zum Fürchten aus. Ich fand ihn sogar entzückend. Er war genau der Typ, in den sich intelligente Mädchen wie ich vergucken.
Der Junge bewegte sich langsam in unsere Richtung, und alle hielten den Atem an. Alle außer Pekka, der den Atem nicht anhalten konnte, weil er lachen musste.
»So einen Strampler hab ich zuletzt im Kindergarten angehabt«, prustete er.
»Das ist ein Formel-1-Fahrer-Overall!«, zischte ich und hoffte nur, dass es der Junge nicht gehört hatte. Dass Formel-1-Fahrer wahnsinnig schnell beleidigt sind, hatte ich in einer Zeitschrift gelesen.
Die Stille war gespenstisch. Nur das Knirschen der weißen Turnschuhe des Jungen war zu hören. Und jetzt konnte ich das Abzeichen auf seiner Kappe erkennen: Es zeigte ein schwarzes, auf den Vorderbeinen stehendes Kamel auf gelbem Grund. Ich fand es toll.
Der Junge war jetzt nur noch ein paar Schritte von uns entfernt. Seine Augen blickten dunkel aus dem Schatten des Kappenschirms. Sein roter Overall leuchtete, als ginge er durchs Feuer.
Meine Knie wurden weich, und mir fiel siedend heiß ein, dass ich mir am Morgen nicht die Haare gebürstet hatte. Da kam meine große Liebe, und ich war nicht anständig gekämmt! Aber das war nicht mal meine größte Sorge, denn von irgendwoher kam plötzlich ein
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