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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der nächste Weg ist – und ist eigentlich die Meile Siebenviertel –, und da sitzen sie denn und haben ihr Konvivchen oder ihr Konventikelchen, oder wie Ihr's nennen wollt. Ja, Baltzer, der Martin auch. Aber mit dem hat's keine Not nicht, der ist seines Vaters Sohn, und den wird der Alte nicht katholisch kriegen. Und hört auch nicht recht zu, weil er immer bloß Hilden angafft, und ist immer Brüderchen und Schwesterchen. Ja, ja, Baltzer, seht mich nur an! Und ich weiß noch den Tag, wo die Muthe gestorben und begraben war und Hilde mit Euch herüberkam und Martin und ich und Joost auf der Diele standen, dicht an der Treppe, wie Ihr da sagtet: ›Ihr sollt euch liebhaben. Wollt ihr?‹ Und seht, Heidereiter, das ist auf guten Boden gefallen. Und immer wie Bruder und Schwester Haha!«
    Baltzer, während die Grissel so sprach, hatte sich auf eine der kleinen Erdstufen gesetzt, die zu dem Gatter hinaufführten, und riß einen breiten Grashalm aus, wand ihn um seinen Finger und warf ihn wieder fort. Er wiederholte das Spiel zwei-, dreimal und sagte nach einer Weile: »Höre, Grissel, du bist eine hämische Person. Und ich habe dich für besser gehalten, als du bist. Du hast einen Haß gegen den alten Melcher, weil er, deinen Vater selig in Ehren, klüger ist als drei Kantoren oder Schulmeister zusammengenommen... Und was redest du da von den Kindern? Laß die Hilde! Wenn ihr der Melcher gefällt, so mag er ihr gefallen. Und ob er das Abendmahl gibt oder nicht, ist all eins. Und wenn die Gräfin es gehen läßt, so müssen wir's auch gehen lassen. Katholisch wird die Hilde
nicht
und keiner nicht, und was ich da gestern bei der Flasche gesagt habe, dessen schäm ich mich heut, und war nichts, als was die Leute sagen, und was
die
sagen, ist immer Dummheit oder Lüge. Denn der alte Melcher – ob ich ihn leiden kann oder nicht, das ist eine Sach für sich – ist von den strengen und den festen Lutherschen und war letzte Woche nach Eisleben und nicht nach 'm Eichsfeld. Und du, Grissel, wenn du deinem Vater im Grabe keine Schande machen willst, so schreibe dir das achte Gebot hinter die Ohren: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!«
    »Oh, das kenn ich und halt es auch!«
    »Und das mit dem Martin«, fuhr der Heidereiter fort, ohne der Unterbrechung zu achten, »das sagst du bloß, weil du mich ärgern willst und weil du meinst, daß ich mit der Hilde höher hinaus will. Ja, Grissel, das will ich! Und darin hast du recht. Und ist keiner hier herum und bis Ilseburg hin und das Amt mit eingerechnet, dem ich sie gönne. Und auch dem Martin nicht. Er ist ein Jung und weiter nichts. Und daß er sie liebhat, ist mir recht. Ich habe sie auch lieb, und du hast sie wenigstens lieb-
gehabt
. Aber du bist eine herrschsüchtige Person, und von dem Tag an...«, er stockte, weil ihm plötzlich wieder das Bild von der Heide her vor die Seele trat und ihn verwirrte, »... ja, von dem Tag an, wo wir den Diskurs über die Hilde hatten, hast du sie gequält und beredt und hast sie's entgelten lassen, daß ich damals gesagt habe: ›Wir wollen es ändern, und so soll es sein.‹ Aber du bringst sie bei mir nicht heraus. Und das mit dem Martin ist Kinderei.«
    »Bruder und Schwester!« lachte sein unerbittlicher Gegenpart und zeigte die großen weißen Zähne.
    Von drüben her aber gingen jetzt die Glocken, und das Gespräch brach ab, weil jeder sich noch für den Kirchgang zurechtzumachen hatte.
    Grissel half dem Alten in seinen Festrock und gab ihm Gesangbuch und gebügelten Hut. Und nun ging er vorauf, über Brück und Weg, dann an der Kirchhofsmauer entlang, und vermied es, sich nach den Kindern umzusehen, die zwischen dem Stachelginster in einiger Entfernung folgten. Er wollte sich in seine Ruhe und Zuversicht wieder hineinleben.
    Und mit diesem Entschluß trat er in die Kirche.
    Sörgel hatte seinen guten Tag heut und sprach eindringlich und aus der Fülle des Erlebten. Und des Heidereiters große Augen waren auch wirklich unablässig nach der Kanzel hin gerichtet, und wer ihn so beobachtete, hätte glauben müssen, er verschlänge jedes Wort.
    Aber es war eine Täuschung; seine Seele war wie geschlossen, und er hörte nichts von dem, was der Alte sprach.
     
Elftes Kapitel
     
Der Heidereiter horcht
    In der Kirche war es ihm nicht geglückt. Aber Baltzer Bocholt war eine willensstarke Natur, und weil er's bezwingen wollte, so bezwang er's auch, und um so rascher, als er trotz allem Aufmerken nichts sah, was dem

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