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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kapitel
     
Auf Ellernklipp
    Martin und Hilde, als sie gestört wurden, hatten ihren Weg über die Brücke genommen, wie wenn sie zu Sörgel hinüberwollten. An der Kirchhofsmauer aber kehrten sie wieder um und gingen auf die Steine zu, die durch den Bach gelegt waren und in ihrer Verlängerung gerad auf den Hof zuführten. Hier trafen sie Grissel, die ganz Geschäftigkeit war, und hörten, wie sie zu Joost sagte: »Mach flink. Et is all an twelven. Un he kann mit eens wedder doa sinn.«
    »I, he is joa all«, antwortete Joost. »All lang. He käm joa so glieks nah elven, un ick soah em, as he de Grastrepp runnerkoam. Un denn dicht an't Huus vorbi. Hest em denn nich siehn...? Nei, nei, du künnst joa nich. Du wihrst joa noch mang de Stoakens.«
    Hilden überlief es wie der Tod, und es gab ihr nur einen halben Trost, als Grissel unter Lachen antwortete: »Hür, Joost, du bist joa binoah as uns' oll Jätefru is, de seiht ook allens vorut, un man künn sich orntlich grulen vor di. Na, en beten will ick noch töwen. Ick segg di, he kümmt nich vor twelven. Un an mi kümmt keen een vorbi, dat ick't nich weeten deih. Awers kuck eens in. Wenn he doa is, möt he joa doch in siene Stuw sinn.«
    Joost ging hinein und kam verblüfft wieder. »Nei, he is nich in. Un ook nich in Küch un Keller... Awers mi wihr doch so.«
    »Joa, mi wihr so«, wiederholte Grissel. »Di is ümmer so. Du hest ümmer een Poar Oogen to veel in 'n Kopp. Un denn oak moal wedder een Poar to wen'g.«
    Unter diesem Gespräch, das sich noch weiter fortsetzte, waren die Geschwister vom Hof her in den Flur getreten, und Martin ging an den Rechen, wo die Jagdtaschen und die Gewehre hingen. Er nahm eine der aus Hanfgarn geflochtenen Taschen und flüsterte, während er die Schwester an sich zog: »Und nun vergiß nicht, Hilde. Du weißt doch: Ein Mann, ein Wort!« Und danach rief er den Hund, der aber nicht kam, und ging auf Diegels Mühle zu.
    Hilde sah ihm von der Treppe her nach.
    Und nun wollte sie sich wieder auf die Steinbank setzen, aber sie konnt es nicht, weil ihr alle Furcht und Angst zurückkehrte, die Martins Zuversicht auf wenig Augenblicke nur aus ihrem Herzen verbannt hatte. So schwankte sie denn, wohin sie gehen sollte, und stieg endlich treppauf in ihre Kammer und öffnete Tür und Fenster. Und wirklich, als erst ein heftiger Luftzug ging, wurd ihr freier, und die Bedrückung fiel von ihr ab.
     
    Baltzer Bocholt war, als nicht Grissel, sondern ein bloß zufälliges Geräusch das Gespräch der beiden Geschwister unterbrochen hatte, vom Flur her auf den Vorplatz und gleich danach ins Freie hinausgetreten. Hier hielt er sich, immer dem Laufe des Baches folgend, auf die Dorfgasse zu, bis er zuletzt, und schon jenseits des Dorfes, an eine von einem großen Holzhof umgebene Schneidemühle kam. Er setzte sich hier auf einen Stoß frischgeschnittener Bretter, die zum Trocknen aufgeschichtet waren, und sah in das Land hinein, das vor ihm weit ausgebreitet lag.
    Und nun erst, als er den Blick freier hatte, begann er seine Gedanken zu sammeln und sich zu fragen: »Was ist zu tun?«
    Und ein bitterer Zug umspielte seinen Mund, und er sagte: »Nichts! Nichts...! Und was ist denn auch geschehen? Sie lieben sich. Und warum sollten sie's nicht? Bloß um deshalb nicht, weil ich ein Narr war und einen närrischen Plan hatte? Bloß um deshalb nicht, weil sie Bruder und Schwester sein sollten? Es ist ihr gutes Recht. Laß sie. Liebe steckt im Blut und muß auch Heimlichkeiten haben; das ist ihr Liebstes und Süßestes.«
    Und als er so sprach, klang's ihm wieder im Ohr, was sie sich zugeflüstert hatten und daß sie sich oben treffen wollten, an derselben Stelle fast, wo sie damals schlafend am Waldesrande gelegen hatte. Dicht bei der Muthe Rochussen ihrem Haus. Und alles Blut stieg ihm wieder zu Kopf, und er wußt es selber nicht, ob es Zorn war oder Scham. Aber das wußt er: Eifersucht sah ihm starr ins Gesicht und erfüllte seine ganze Seele. »Du hast es nicht wissen wollen. Nun weißt du's.«
    Er hatte, während er so sann und vor sich hin starrte, mit seinem Stock allerhand Figuren in das Sägemehl gezeichnet, das über den ganzen Holzhof hin ausgeschüttet lag; als er jetzt aber wahrnahm, daß er von der Mühle her beobachtet wurde, stand er auf, begrüßte sich mit dem Sägemüller und sprach mit ihm über dies und das: über die Gräfin und den preußischen König und über die schlechte Zeit. Und zuletzt auch über die Holzpreise, die jeden Tag

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