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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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Erinnerung förmlich an jedem Stein. Sie lag in der Luft, schien omnipräsent zu sein. Zehn Jahre waren seither vergangen. Zehn Jahre hatte er Florenz gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Es wurde allerhöchste Zeit für eine Konfrontationstherapie. Außerdem war er ja nicht allein. Elli würde ihn ablenken. Heinz hoffte inständig, dass die Stadt die hässliche Fratze, die sie ihm vor vielen Jahren gezeigt hatte, an der Seite seiner Begleiterin verlieren mochte.
    Als ob Elli es gerochen hätte, führte ihr erster Besichtigungswunsch sie just zum Ponte Vecchio, seinem neuralgischen Punkt. Die »alte Brücke« gehörte sozusagen zum touristischen Pflichtprogramm in der Stadt. »Unglaublich, dass diese Brücke schon so alt ist«, sagte sie. »Vierzehntes Jahrhundert, oder?«
    »Dreizehnhundertfünfundvierzig«, erinnerte er sich. Sein Zahlengedächtnis hatte ihn noch nie im Stich gelassen.
    »Wie das Leben wohl damals so war?«, fragte Elli und blickte in Gedanken auf das gegenüberliegende Ufer.
    Sicherlich wäre es faszinierend, sich vorzustellen, dass die Menschen vor dem Bau dieser die beiden Stadtteile verbindenden Brücke auf Fähren angewiesen waren und sich ein Großteil des Lebens zwangsläufig auf dem Fluss abgespielt haben musste, aber seine Gedanken kreisten eher um die jüngere Vergangenheit. Diesen Ort hätte er nur zu gerne gemieden, doch es sollte noch schlimmer kommen. Elli steuerte schnurstracks auf ausgerechnet jenen Juwelier zu, bei dem er seinerzeit gemeinsam mit seiner Frau die Eheringe ausgesucht hatte.
    »Sind die nicht traumhaft?«, schwärmte sie. Der granulierte Schmuck gleich neben den Eheringen hatte es ihr offenbar angetan. »So etwas habe ich bei uns noch gar nicht gesehen.«
    »Sehr schön«, erwiderte er wortkarg, den Blick in Gedanken an glücklichere Tage starr auf die Auslage gerichtet.
    Auch Oskar schien der Goldschmuck zu gefallen. Fasziniert guckte er in die Auslage und bellte einmal laut, als Elli auf einen bestimmten Ring deutete. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Hier hatte er seiner Frau auch die goldene Kette mit den Diamantaufsätzen gekauft, zur Versöhnung. Im Nachhinein wohl eher ein Bestechungsversuch. Wieder einmal war ihm eine Geschäftsreise wichtiger gewesen, als mit ihr gemeinsam den zehnten Hochzeitstag zu feiern. Sicher, es war nicht seine Schuld gewesen, dass sein Flug aus New York gestrichen wurde, aber wie schlimm musste es für Margit gewesen sein, ausgerechnet ihren Hochzeitstag, auf den sie sich so gefreut hatte, allein zu verbringen.

    Spätestens als sie die Piazza della Signora erreichten, sozusagen das Zentrum aller touristischen Aktivitäten, fiel Elli die Funkpause bei Heinz auf. Vielleicht hatten ihn die vierhundertdreiundsechzig Stufen der Kathedrale Santa Maria del Fiore geschafft, die sie unbedingt hatte erklimmen müssen, um den sensationellen Blick über die Stadt genießen zu können — schließlich hatte er auch noch Oskar tragen müssen. Ihre Konversation hatte sich auf die Kunstwerke im duomo beschränkt. Nun wusste Elli, dass der Dom im Jahre 1296 erbaut worden und die Fassade dank des genialen Konstrukteurs Filippo Brunelleschi nicht etwa gemalert war, sondern aus grünem, rosafarbenem und weißem Marmor bestand. Sein Allgemeinwissen war beeindruckend.
    Vielleicht hatte Heinz ja eine besonders intensive Art der Wahrnehmung, wenn er mit Kunst in Berührung kam, und war deshalb so schweigsam? Ihr ging es da nicht anders. Auch wenn es nur eine Replik war, der Anblick Davids auf der weitläufigen Piazza machte auch Elli sprachlos und besaß zugegebenermaßen eine nicht zu unterschätzende erotische Komponente. Die nackten Tatsachen, die ihr hier und am Neptunbrunnen mit seinen fein gearbeiteten Skulpturen ins Auge sprangen, erinnerten sie an ihre Begegnung mit Heinz unter der Dusche. Er hatte ein bisschen was von diesem David, zumindest sein Hinterteil.
    »Möchtest du noch ins Museum? Ich kann mit Oskar solange draußen warten. Nimm dir ruhig Zeit«, schlug er ihr vor.
    Elli kannte die Galleria degli Uffizi bereits von einem gemeinsamen Besuch mit Josef, der sie nach drei langen Stunden in der Warteschlange bei brütender Hitze mitgeschleppt hatte. Bei so vielen Menschen, die sich tagtäglich durch die Gänge des Museums wälzten, konnte man die traumhaften Gemälde von Michelangelo, Botticelli und Leonardo da Vinci sowieso nicht genießen.
    »Nicht unbedingt. Lass uns lieber in einen Park gehen. Da hat Oskar auch mehr

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