Elli gibt den Loeffel ab
in Frage stellen. Elli versuchte sich zu beruhigen. Vernunft war etwas Großartiges. Dies war einer der Vorteile, wenn man reifer war: Man hatte Lebenserfahrung und konnte Entscheidungen besser abwägen. Mit einem Mann wie Heinz konnte sie sicher viel Spaß haben, aber solide wäre die Beziehung zu ihm nicht. Warum also den Versuch starten, gerade erst frisch aufgekeimten Gefühlen nachzugehen? Deshalb hatte sie sich damals doch auch für Josef entschieden, für etwas mit Bestand, für festen Boden unter den Füßen.
»Ich versteh das schon. Ist ja auch nicht jedermanns Sache«, sagte Heinz nun, obwohl ihm deutlich anzumerken war, dass er etwas ganz anderes dachte.
Bedauerte er sie vielleicht dafür, dass sie die Mauern ihres selbst erschaffenen Gefängnisses, das ihr das Gefühl von Sicherheit gab, nicht durchbrechen konnte? Sah er etwa die Fesseln, die sie sich vermeintlich nur zu ihrem Besten angelegt hatte? Nun sah auch Oskar, der während des Essens erschöpft in einen komatösen Schlaf gesunken war und sich gerade streckte, sie mit treuem Hundeblick an. Ihn würde sie ebenfalls vermissen. So ein kleiner Schnuckel. Selbst an die Hundehaare auf ihrem Kleid hatte sie sich gewöhnt.
»Ich würde wirklich gerne bei euch bleiben, aber das geht nicht, auch wenn ich dein Herrchen sehr mag«, rechtfertigte sie sich vor ihm, nachdem Heinz in Richtung Toiletten verschwunden war. Nun sprach sie schon mit einem Hund über ihr Gefühlsleben.
»Wir können dann«, gab Heinz ihr zu verstehen, als er zurück war.
Elli blickte in Richtung des Obers. »Die Rechnung bitte.«
»Schon erledigt.«
»Das kann ich nicht annehmen, Heinz.«
»Doch, ich hab’s gerne gemacht.«
Recht war ihr das nicht. Heinz hatte bestimmt auch nicht so viel Geld, andererseits blieb ihr nun noch ein bisschen was von ihren Reserven. Schlagartig fiel Elli wieder ein, weshalb sie überhaupt nach Italien gefahren war. Aus der Traum! Es galt ihre Existenz zu retten.
Ein Blick auf den Tacho, dessen Nadel sich irgendwo zwischen achtzig und neunzig Stundenkilometern eingependelt hatte, ließ Heinz schmunzeln. Offenbar hatte er das Gaspedal auf der letzten Teilstrecke nach Neapel unbewusst nicht wie üblich durchgetreten. Etwa wie früher nach den sonntäglichen Besuchen bei seiner Schwiegermutter. Margit hatte ihm immer vorgeworfen, dass er auf der Hinfahrt mit einhundert dahintuckerte und auf der Rückfahrt von Hamburg nach Berlin mit hundertvierzig Sachen zurückraste. Dies hatte sie völlig zu Recht als ein untrügliches Indiz dafür gewertet, dass er ihre Mutter nicht ausstehen konnte.
Nun war es wohl umgekehrt. Auch wenn sie während der Fahrt bei an diesem Morgen gerade noch erträglichen Temperaturen kaum geredet hatten, fühlte sich Ellis Nähe einfach gut an. Dabei war Heinz sich so sicher gewesen, dass er sich nie wieder in eine Frau verlieben könnte, dass ein Leben allein der Preis war, den er für seine Freiheit bezahlen musste. Glück hatte viele Säulen, und es kam lediglich darauf an, einem Haus, das darauf stand, genügend Halt zu bieten. Rem rational betrachtet hatte sich daran nichts geändert. Er konnte nach wie vor tun und lassen, was er wollte. Heute hier, morgen da. Der liebe Gott hatte ihn mit Gesundheit gesegnet. Warum stellten sich auf einmal solch starke Verlustängste ein, dass sich sein Fuß verselbständigte und die Muskulatur beim Treten des Gaspedals offenbar seit drei Stunden versagte?
Am liebsten hätte er Elli noch vor dem Schlafengehen seine Gefühle offenbart, aber für so etwas brauchte es den richtigen Zeitpunkt, und so müde, wie sie in das Zelt gefallen war, wäre dies kein guter Moment gewesen. Beim Frühstück gab es dann kein einziges Signal ihrerseits, um auch nur einen Hauch der gestrigen Romantik noch einmal aufblühen zu lassen. Nicht der leiseste Hinweis. Noch nicht einmal Zweifel an ihrer Entscheidung, getrennte Wege zu gehen. Verdammt, er hatte sich verhebt! Noch dazu in eine Frau, die überhaupt nicht zu ihm passte. Elli war viel zu eingefahren, und deshalb war es gut, dass sie sich heute trennten.
Ihr schien der Abschied ebenfalls schwerzufallen. Warum sonst blickte sie die ganze Zeit in Gedanken versunken aus dem Fenster? Vielleicht sollte es auch nicht sein. Vielleicht hatte er in seinem Leben noch eine Rechnung offen. Dass er Margit jahrelang vernachlässigt hatte, ließ sich vermutlich in einem Menschenleben nicht mehr tilgen, und wenn er sich einer Sache sicher war, dann der Gewissheit, dass
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