Elli gibt den Loeffel ab
er Elli nicht unglücklich machen durfte. Margit hatte ihn völlig zu Recht als einen Egoisten bezeichnet, und Egoisten lebten am besten allein. Der gelegentlich zu spürende Schmerz der Einsamkeit war der Preis, den er dafür bezahlen musste, und er wurde eindeutig schlimmer, als sie das Zentrum am Hafen erreichten und Heinz das Wohnmobil im absoluten Halteverbot abstellte. Von hier konnte Elli die Fähre nach Capri bequem erreichen. Ein erstes Hupen hinter ihnen machte deutlich, dass der Abschied nicht lange dauern würde. Hastig griff sie nach ihrer Handtasche, die sich beim hiervorziehen hinter dem Sitz kurz verkantete, wobei ihr kleiner Taschenspiegel auf den Boden des Wohnmobils fiel.
Erneutes Hupen.
»Lass dir Zeit. Die sollen warten«, sagte Heinz nur.
Elli hob den Taschenspiegel auf und stieg aus.
»Siehst du die blauen Büros da vorne? Dort kannst du dir ein Ticket für das Schnellboot kaufen«, sagte er mit bemüht gefestigter Stimme.
Elli nickte schweigend und blickte in Richtung der Hafenanlage. Genügend Zeit für Heinz, um schnell etwas aus der Jackentasche zu ziehen.
»Für dich. Ein kleines Andenken.«
Ellis Augen strahlten, und ihr Lächeln gab ihre Grübchen preis, als sie das Päckchen öffnete und den kleinen Keramikelefanten hervorholte, den er ihr in Florenz heimlich gekauft hatte.
»Du musst ihn immer mit dem Rüssel zum Fenster stellen. Das bringt Glück.« Heinz versuchte sich Ellis Freude und ihr glückliches Gesicht einzuprägen. Sie würden sich nie wiedersehen.
»Danke! Danke für alles... Er bekommt einen Ehrenplatz«, versprach sie ihm mit hörbarer Rührung in der Stimme.
Auch Oskar schien zu spüren, dass ein Abschied in der Luft lag. Er winselte aufgeregt und tänzelte um Elli herum.
»Mach’s gut, mein Kleiner!«
Wenigstens Oskar bekam seine Streicheleinheiten und eine feste Umarmung. Manchmal wäre es schön, ein Hund zu sein.
Elli stand auf und sah ihm in die Augen. »Gute Reise, Heinz. Ich...«
Für einen Moment sah es so aus, als ob sie ihm noch etwas sagen wollte, aber lautes Hupen von mehreren Pkws, die nicht an seinem Wohnmobil vorbeikamen, schnitt Elli das Wort ab und zerstörte den Moment des Abschieds.
»Ich muss...« Elli nickte und drückte ihm spontan einen Kuss auf die Wange.
Nun war er doch ganz froh, ein Mensch zu sein, wenngleich ein trauriger Mensch, der mit ansehen musste, wie die Frau, in die er sich verliebt hatte, mit ihrem Rollenkoffer im Schlepptau über eine grüne Ampel in Richtung des Ticketschalters eilte.
Kapitel 5
»Zwanzig Euro«, ertönte die freundliche, aber blechern laute Stimme der Fährdienstangestellten aus dem Lautsprecher, der vor dem verglasten Verkaufstresen angebracht war.
Elli hielt den Preis für ganz schön gesalzen, aber Capri war schon immer etwas für den großen Geldbeutel. Apropos. Ihr Lederetui mit den Geldscheinen musste irgendwo im Chaos ihrer Handtasche stecken. Vielleicht reichte ja auch das Kleingeld, das sie für gewöhnlich in dem handbestickten kleinen Portemonnaie aufbewahrte. Hektisch zählte sie nach: achtzehn Euro und vierunddreißig Cent. Mist! Jetzt musste doch einer von den großen Scheinen herhalten. Wie peinlich, dass sie ihr Lederetui nicht gleich zur Hand hatte. Hinter ihr hatte sich schon eine Schlange gebildet, und die ersten Unkenrufe wurden laut.
»Was dauert denn da so lange?«, moserte ein deutscher Tourist völlig entnervt und unüberhörbar.
Wo war denn nur das blöde Lederetui? Ihr Personalausweis, das Geld aus der Ladenkasse, das Sparbuch und sogar der Brief von Fabrizio waren darin aufbewahrt. Weg! Einfach verschwunden! Am besten sie leerte ihre Tasche schnell auf dem Tresen aus.
»Das glaube ich nicht«, unkte die unangenehme Touristenstimme erneut.
Weg! Es blieb dabei! Vermutlich hatte sie es verloren, nur wo? Hatte ihr nicht schon ihre Mutter immer eingebläut, dass man wichtige Dokumente stets vom Bargeld getrennt halten sollte? Der Taschenspiegel! Beim Aussteigen! Schon hatte sie die Szene vor Augen, als sich ihre Handtasche hinter dem Beifahrersitz verheddert hatte. O nein! Sie hatte noch nicht einmal seine Telefonnummer. Was tun? Auf alle Fälle erst einmal den hinter ihr Wartenden Platz machen, bevor jemand sie noch lynchte. Als Nächstes drängte sich die Frage nach dem Wohin auf. Die Hafengegend stand förmlich vor Dreck. Der bissige Geruchscocktail aus Abgasen, Moder, Fischresten und dem süßlichen Duft von verwesenden Abfällen aus den überquellenden Mülltonnen
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