Elli gibt den Loeffel ab
als Feriengäste zu tun gehabt, sondern vielmehr mit der Untreue ihrer Mutter.
Der Taxifahrer machte mit ihnen bestimmt das Geschäft seines Lebens. Die Strecke vom Friedhof zur Casa Bella würde die Rechnung in schwindelerregende Höhen treiben. Auf der Anhöhe, die das Taxi nach einer scharfen Rechtskurve entlangfuhr, schien die Zeit tatsächlich stehen geblieben zu sein. Die Zitronenplantage, das struppige Grün, das hier und da hinter schroffen Felsen hervorlugte, und selbst das Haus — alles unverändert.
»Kannst du dich an diesen Castiglione überhaupt noch erinnern?«, fragte sie Elli, als sie dem Taxifahrer beim Aussteigen auf der kleinen Zufahrt vor der Casa drei weitere Fünfziger in die Hand drückte.
Ihre Schwester schüttelte den Kopf. Dorothea war sich aber sicher, dass sich der Eigentümer gelegentlich hatte blicken lassen. Vielleicht fanden sie in der Pension ja irgendeinen Hinweis auf ihn und sein Aussehen.
Vermutlich hatte der Verstorbene schon vor vielen Jahren das Haus verkauft. Es sah bei näherem Hinsehen doch etwas mitgenommen aus. Die blütenweiße Fassade hatte mehr als ein paar graue Stellen bekommen. Die Eisengitter der Balkone und Terrassen hatten Rost angesetzt, was bei der Insellage und der feuchten Meeresluft noch kein Indiz dafür war, dass die Pension seit längerem leer stand. Die frischen Blumen und die Grünanlagen erweckten eher einen gepflegten Eindruck.
»Die Pension ist jetzt bestimmt in privater Hand«, überlegte sie laut.
Der Parkplatz war jedenfalls bis auf einen Wagen leer. Touristen waren keine in Sicht, dafür aber Fabrizios Panda, der hinter einem Schuppen im Schatten stand. Diesmal redet er sich nicht heraus, nahm sie sich vor, und auch Ellis Miene wirkte entschlossen. Nachdem sie Fabrizio im Garten bei der Zitronenernte ausfindig gemacht hatten, stellte Dorothea ihn zur Rede.
»Wir waren auf dem Friedhof, am Grab von Alessandro Castiglione«, sagte sie in scharfem Ton.
Der Satz hatte voll und ganz genügt, um ihm klarzumachen, dass er jetzt mit der Wahrheit herausrücken musste. Fabrizios hängenden Schultern und dem Gesichtsausdruck nach zu schließen, hatte es nicht den Anschein, als ob er ihnen weitere Bären von irgendwelchen Olivenhainbesitzern und ominösen Putzfrauen, die Testamente verschwinden ließen, aufbinden wollte.
Fast erschien es Fabrizio so, als ob Alessandro ihn direkt anblicken würde. Als die Aufnahme entstanden war, war der Hotelier im besten Alter gewesen, Mitte dreißig. Stolz posierte er vor seiner kleinen Pension, die er zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in nur drei Monaten förmlich aus dem Boden gestampft hatte. Normalerweise hing diese gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie im Büro, aber Dorothea und Eleonore wollten dem Mann, mit dem Elisabeth den Vater der beiden betrogen hatte und der zugleich ihr leiblicher Vater war, verständlicherweise ins Gesicht sehen.
»Ein sehr attraktiver Mann. Bei dem wäre ich vielleicht auch schwach geworden«, schwärmte Dorothea.
In Eleonores Augen las er hingegen nur Abscheu. »Der hat mir mal ein Eis spendiert. Am Hafen.« Sie schien sich an Alessandro zu erinnern.
»Die beiden haben sich sehr geliebt, soweit ich das als Außenstehender beurteilen kann.«
»Wo haben sie sich getroffen?«, fragte Dorothea nach.
»Alessandro hatte ein Boot. Später, nach dem Tod eures Vaters, ist er ihretwegen sogar in die Pension gezogen. Da mussten sie sich ja nicht mehr verstecken.«
»Der Segelschein! Sie hat uns nie zum Segeln mitgenommen«, erinnerte sich Dorothea.
»Und Papa war immer so schnell seekrank«, fügte Eleonore hinzu.
»Deshalb hat sie uns nie mitgenommen. Angeblich weil es viel zu gefährlich war«, entrüstete sich Dorothea.
Die beiden starrten auf die Fotografie und waren offenbar tief erschüttert.
Dorothea schob das Bild schließlich ein Stück zur Seite und fixierte Fabrizio. »Und jetzt die Wahrheit! Hat Alessandro Castiglione unserer Mutter nun etwas vermacht oder nicht?«
»Nein«, erwiderte er, diesmal wahrheitsgetreu.
Eleonore und Dorothea erstarrten für einen Moment in Ratlosigkeit.
»Aber warum um alles in der Welt hast du uns dann geschrieben? Was willst du von uns?«, fragte Dorothea ihn mit überraschend sanfter Stimme.
Nun mussten die Karten endgültig auf den Tisch. Er hatte wahrlich lange genug gepokert. Der Besuch an Castigliones Grab hatte Fabrizio klargemacht, dass er viel zu weit gegangen war, indem er die beiden nach Italien zitiert hatte. Noch dazu aus
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