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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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Rosenheim die Welt noch in Ordnung war. Zapp! RTL: Komasaufen bei Dreizehnjährigen. Sofort beäugte Elli ihr inzwischen nachgefülltes Weinglas und fragte sich schmunzelnd, ob sie sich mangels Trinkfestigkeit mit zwei Gläsern Wein etwa auch schon ins Koma trinken würde. Zapp! RTL2: Ölpest.
    Zapp, zapp, zapp! Schnell zu den Doku-Kanälen wechseln! Doch auch dort Fehlanzeige: Ein Philosoph äußerte sich in einer Diskussionsrunde über den Werteverfall in der Gesellschaft und die beunruhigend stark zunehmende Debilisierung der Jugend. Zapp! Auf ARTE ging es um die Ausbreitung des Islams in der westlichen Welt, was Elli auf die Idee brachte, noch ein paar weitere türkische Filme in Originalsprache in ihr Sortiment aufzunehmen. Zapp! Drohende Staatspleite, Renten nicht mehr sicher. Zapp! Laut NTV stand die Welt am Rande des Abgrunds — Klimakatastrophe, drohende Wasserknappheit und Überbevölkerung, Bedrohung durch Meteoriten, die schon die Dinosaurier ausgelöscht hatten. Das waren ja richtig goldene Aussichten. Zapp! Werbung für ein Online-Dating-Portal, wo man angeblich die große Liebe fand, und gleich danach die unverblümte Aufforderung, sich per Internet auf einen Seitensprung einzulassen. »Rufen Sie uns an!« Abartig! Fehlte nur noch, dass der Sender gleich im Anschluss eine gebührenpflichtige Rufnummer für eine auf Scheidungen spezialisierte Anwaltskanzlei einblendete. »Mit Anwalts Liebling können Sie sich jeden Seitensprung leisten.«
    Wenig Ersprießliches, wohin sie auch durch das virtuelle Auge des Fernsehers in die Welt blickte. Kasten aus!, beschloss Elli. Weinglas in einem Zug leer trinken, ob Koma oder nicht! Schlaftablette einwerfen — eine halbe würde wohl reichen — und auf den erlösenden Moment des Wegnickens hoffen. Elli tröstete sich auf dem Weg ins Schlafzimmer mit dem Gedanken, dass Tage wie dieser eher die Ausnahme waren. Trotzdem wollte sie für heute nichts mehr sehen und hören und stattdessen lieber noch ein bisschen von Montgomerys Trompetensolo träumen. Nichts war schöner und entspannender als ein angenehmer Traum.

    Als Elli der Mittfünfziger in Trenchcoat und Hut an einem der Gräber im ersten Seitengang des Friedhofs auffiel, fühlte sie sich sogleich an einen Agententhriller erinnert. Kein Zweifel: Der Mann suchte Deckung hinter einem Busch und schien jemanden zu beobachten. Orson Welles hätte es nicht besser inszenieren können. Elli, nun ebenfalls hinter einem Grabstein außer Sichtweite, folgte seinem Blick und entdeckte das Objekt seiner Begierde: eine Mittfünfzigerin, die gerade an einem Grab herumrechte und hier und da Unkraut herauszupfte.
    Der Klassiker schlechthin! Stichwort Dating auf dem Friedhof. Mit Sicherheit handelte es sich bei der Frau um eine Witwe, die ihr Trauergewand bereits abgelegt hatte. Das Kleid mit Blumenmuster sprach Bände. Der Mann war vermutlich ein Witwer, der Ausschau nach einer neuen Partnerin hielt. Frieda hatte wohl recht. Ein Friedhof war wirklich die beste Kontaktbörse für bindungswillige ältere Damen und Herren. Ein Jahr nach Josef s Tod hatte Frieda ihr sogar eingeredet, sie solle sich täglich mindestens dreimal um das Grab kümmern und dabei unauffällig Ausschau nach »neuen Optionen« halten. Wo sonst könne man Männer treffen, die ihrer Frau bis zu deren Ableben treu geblieben waren? Die »goldenen Witwer«, wie Frieda sie nannte, waren es gewohnt, in einer festen Partnerschaft zu leben, und das Alleinsein fiel ihnen sicher schwer. Das fing ja schon beim Hemdenbügeln an.
    »Der ist doch schon seit Wochen auf die Blondine scharf.« Friedas Stimme kam wie aus dem Nichts!
    Elli erschrak sich fast zu Tode. »Willst du mich umbringen?« Erst einmal tief Luft holen, um den Puls wieder in den grünen Bereich zu befördern.
    »Er wird warten, bis sie fertig ist, und dann ganz nebenbei und natürlich rein zufällig an ihr vorbeischlendern.«
    Gesagt, getan. Auf halbem Weg schenkte »der dritte
    Mann« der Frau in dem geblümten Kleid ein Lächeln, das sie zwar erwiderte, aber dann ging sie doch leicht verunsichert weiter und ließ »Mister Geheimagent« ratlos und mit hängenden Schultern zurück.
    »Wie kann man sich nur so dumm anstellen?«, mokierte Frieda sich.
    »Ich wüsste auch nicht, wie ich einen Trauernden ansprechen sollte. Mal abgesehen davon, dass mir so etwas gar nicht in den Sinn käme.«
    »Da fragt man eben nach einem Rechen oder ob man sich mal kurz die Gießkanne ausleihen darf. Man kann auch den

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