Elli gibt den Loeffel ab
sogar gefeixt, als Elli sich umgedreht hatte, um die Plastiktüte mit ihrem Armani-Schatz in Empfang zu nehmen? Neugierig blickte sie sich um. Vielleicht hatte sie sich auch nur getäuscht.
»Darauf sollten wir trinken«, schlug Doro in bester Laune vor.
Auch die Verkäuferin strahlte, als hätte sie eben das Geschäft des Tages abgeschlossen. Seltsam.
»Ich werde dann mal eine kleine Inseltour machen«, sagte Heinz überraschend. »Ihr seid heute Abend sowieso nicht da, und ich habe von Capri noch nicht viel gesehen. Oskar braucht auch ein bisschen Auslauf.«
Täuschte sie sich, oder wirkte Heinz geknickt?
»Ich wünsche euch einen schönen Abend, und lasst euch von diesem de Andre nicht um den Finger wickeln.«
»Worauf du dich verlassen kannst!«, versicherte ihm Doro, die wohl der Meinung war, dass sie in ihrem Outfit für alles Kommende bestens gewappnet war.
Oskar wartete draußen schon sehnsüchtig auf sein Herrchen und begrüßte Heinz, der sich von ihnen winkend verabschiedete, überschwänglich.
Kapitel 11
Oma Elisabeth hatte nicht übertrieben! Anja war von den ersten capresischen Eindrücken, die sie auf dem kurzen Weg vom Hafen bis zur Oberstadt gewonnen hatte, restlos begeistert. Irgendwo ganz in der Nähe musste die Villa Palma liegen. Eine kurze Rast an der Piazzetta war nach den Reisestrapazen der letzten Stunden überfällig, doch kaum hatte der Ober ihr den Cappuccino serviert, war die Ruhe auch schon vorbei. Sie fragte sich, ob der spontane Entschluss, nach Capri zu fliegen, ihr nicht jede Menge Ärger einbringen würde.
Eigentlich hätte sie um vier Uhr ein Vorstellungsgespräch gehabt — in einem Callcenter, doch darauf hatte sie nicht die geringste Lust gehabt. Wie gut, dass sie einen zuverlässigen und einfühlsamen Hausarzt hatte, der ihr schon vor Wochen eine schwere Migräne bescheinigt hatte. Natürlich hatte sie nicht mal Kopfschmerzen, aber sie würde sicherweiche bekommen, wenn sie in so einem Job arbeiten müsste. Mit diesem Argument ließ sich ihr immer wieder aufkeimendes schlechtes Gewissen beruhigen. Immerhin lebte sie seit einer Weile auf Kosten der Steuerzahler. Natürlich hätte sie ihrer Mutter die gesammelten Briefe von Oma Elisabeth auch schicken können, aber am Postschalter hatte es geheißen, es könne unter Umständen mehrere Tage dauern, bis das Paket in Capri ankam. Ein anderer Paketdienst hatte gleich ein halbes Vermögen dafür verlangt.
Was war ihr also anderes übriggeblieben, als Mamas jüngsten Kleiderzuschuss für einen Billigflug nach Neapel zu verwenden und sich mit einem Extrakoffer, in den die Schatulle mit den unzähligen Briefen gerade so hineinpasste, auf den Weg zu machen. Immerhin hatte ihre Mutter sie beauftragt, die Briefe zu besorgen. Die neuen Klamotten mussten also warten.
Die trüben Gedanken verflogen überraschend schnell, als das Taxi von der Serpentinenstraße abbog und sich ihr die Casa Bella, die immer noch wie auf der Fotografie ihrer Großmutter auf dem Hügel stand, in voller Pracht offenbarte. Vergessen war auch der Ärger darüber, dass sie den Koffer umsonst zur Villa Palma hochgeschleppt hatte. Ihre Mutter hätte ihr auch Bescheid geben können, dass sie umgezogen war. Am liebsten wäre sie schon kurz vor dem Haus ausgestiegen und die letzten Meter durch die kleine Zitronenplantage gelaufen.
Sie wusste, dass es auf der ganzen Welt keine besseren Zitronen gab. Was könnte sie alles daraus zaubern? Saucen, Nachspeisen, vielleicht ein Zitronensorbet. Anja lief augenblicklich das Wasser im Mund zusammen. Zitronen gehörten in jede gute Küche. Ihre intensive Färbung und der voll-mundig-fruchtige Geschmack machten sie einzigartig, auch zum Dekorieren. Sie nahm sich fest vor, ein paar dieser saftigen Früchte mit nach Hause zu nehmen. Ob ihre Mutter sich vielleicht doch über ihren Uberraschungsbesuch freute? Dies wäre allerdings ziemlich ungewöhnlich. Hatte sie sich eigentlich in den letztenjahren jemals gefreut, wenn Anja sie besucht hatte? Eigentlich nicht. Die Sache sähe ganz sicher anders aus, wenn sie nach dem Abitur nicht beschlossen hätte, eine Ausbildung zur Köchin in Angriff zu nehmen. Ab diesem Moment hatte es einen regelrechten Knick in dem Verhältnis zu ihrer Mutter gegeben. Aber warum sich jetzt darüber Gedanken machen? Sie war in Italien, und der Anblick der Casa Bella war einfach nur überwältigend.
»Fünfundzwanzig Euro«, verlangte der Taxifahrer.
Ganz schön happig, dachte sie. Egal, Hauptsache
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