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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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Zeichen dafür, dass er sie sehr mochte, ein Umstand, den ihre Schwester mit wachsender Verwirrung wahrnahm.
    »Kannst du dich echt nicht mehr an Paolo erinnern?«, fragte Anja ihre Mutter.
    »Vage. Aber warum bist du eigentlich hier?«
    »Die Briefe. Du wolltest doch die Briefe«, versuchte Anja sich zu rechtfertigen. Ihr Lächeln wich unverkennbar einer eher defensiven Haltung, als sich Doro zu ihr an den Tisch setzte.
    »Die hättest du mir auch schicken können.«
    Elli war fassungslos. So begrüßte man doch nicht seine eigene Tochter. Die alte Wut auf Doro kam augenblicklich wieder hoch. Wie oft hatte sie ihr schon vorgeworfen, dass sie schlecht über Anja sprach oder ihre Tochter zu sehr unter Druck setzte. Dass die beiden sich zur Begrüßung nicht mal in den Arm genommen hatten, sprach Bände.
    »Mama, die Kiste ist riesig. Es hätte Wochen gedauert...«
    »Ja, tut mir leid. Es war sicher gut gemeint, aber wie es aussieht, brauchen wir die Briefe nicht mehr«, lenkte Doro ein.
    »Warum das denn?« Anja war nun komplett verwirrt.
    »Wahrscheinlich müssen wir gar nicht mehr nachweisen, dass uns das Haus zusteht. Wir haben einen Interessenten mit guten Kontakten zur Gemeinde, der es uns auch so abkauft.«
    »Wie soll das denn gehen?«, brach es aus Anja hervor.
    »Das Haus ist momentan herrenlos und fällt daher an die Gemeinde. Der Investor kann es kaufen, und wir bekommen Geld. Das vermeidet Ärger für alle Seiten.«
    Anja nickte erstaunlich gefasst und setzte sogleich nach: »Ich finde es schade, dass ihr die Pension verkaufen wollt. Es ist doch total schön hier. Habt ihr euch schon mal überlegt, was man alles daraus machen könnte?«
    Damit lag Anja gar nicht mal so falsch. Auch Fabrizio hatte bereits in diese Richtung gedacht. Verpachten wäre eine Alternative, aber da am Abend bereits die Verhandlungen stattfinden sollten, war es für einen Strategiewechsel vermutlich zu spät.
    »Wir verkaufen es. Basta!«
    »Ich finde, Anja hat recht. Wir sollten nichts überstürzen«, warf Elli ein, in der Hoffnung, ihrer Nichte damit zumindest die Chance zu geben, sich zu erklären.
    »Mama, ich habe immer von so einer Gelegenheit geträumt. Eine eigene Pension! Außerdem ist Paolo hier, und irgendwie...«
    »Unsinn! Von deinen Träumereien habe ich genug. Letztes Jahr hast du mir noch mit einer Würstchenbude in den Ohren gelegen, und jetzt willst du eine Pension auf Capri führen.«
    Elli verstand nicht, was daran so abwegig war. Immerhin hatte ihre Nichte eine sehr gute Ausbildung. Dafür, dass es für Frauen so gut wie unmöglich war, in den Küchen der großen Hotels Karriere zu machen, konnte Anja nun mal nichts.
    Ihre Nichte war sichtlich genervt und erhob sich wie ein kleines Kind, das man soeben des Küchentisches verwiesen hatte, um auf ihr Zimmer zu gehen.
    »Ich stell dir die Kiste mit den Briefen vor die Tür«, sagte sie patzig und eilte ins Haus.
    »Doro, ich bin wirklich entsetzt, wie du Anja behandelst. Sie kommt den langen Weg hierher, bringt dir die Briefe...«
    »Ich kenne meine Tochter besser. Sie wollte sicher nur ein paar Tage Urlaub in Italien machen. Abgesehen davon: In Erziehungsfragen lass ich mir nicht reinreden, schon gar nicht von dir. Ich gehe mich jetzt umziehen.« Damit eilte auch Dorothea ins Haus.
    Drehten jetzt alle völlig durch?

    Anja stand vor der Kiste, die an die zweihundert Briefe enthielt. Natürlich hatte sie sich bereits ein wenig eingelesen. Ein Großteil der Umschläge enthielt amtliche Korrespondenz, Rechnungen, Bestätigungen von Versicherungen, aber auch viel Privates war dabei. Einen Brief hatte sie gleich ganz vorne hingesteckt, denn er enthielt sozusagen den Schlüssel zum Tresor. Nun beschloss Anja jedoch, ihn herauszunehmen und in ihrem Zimmer zu verstecken, am besten unter dem Kopfkissen. Dieser Brief würde ihrer Mutter die Alleinherrschaft über die Casa Bella bescheren, doch so unwürdig, wie ihre Mutter sich eben verhalten hatte, und angesichts der vielen Jahre, in denen sie Anja wie ein Stück Dreck behandelt hatte, blieb der goldene Schlüssel erst einmal schön unter Verschluss.
    Eigentlich sollte sie ihrer Mutter dankbar sein für den Auftritt auf der Terrasse. Immerhin wusste sie jetzt, woran sie war, und von der neuen Sachlage ließe sich vielleicht sogar profitieren. Auf der Rückfahrt von der Blauen Grotte hatte sie mit Paolo über ihre spontane Idee gesprochen, die Pension weiterzuführen und ein Nobelrestaurant daraus zu machen. Damit würde

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