Elli gibt den Loeffel ab
gut.«
Anja ließ sich den ersten Limoncello fast wie ein Weinkenner auf der Zunge zergehen. Den zweiten trank sie, um die langsam aufsteigende Nervosität zu bekämpfen. Mit ihrer Jeans und der schlichten Bluse wirkte sie inmitten der aufgedonnerten Gäste in den teuersten Labels wie eine Außerirdische. Vermutlich hielten die anderen sie für die Putzfrau, die sich auf das Fest verirrt hatte. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, wenn sie zu Hause geblieben wäre.
War Paolo vielleicht deshalb noch mit ihr an der Marina Piccola spazieren gegangen? Wenn ein Fest erst mal in vollem Gange war und die Gäste einen gewissen Alkoholpegel erreicht hatten, fiel ein unpassend gekleideter Gast sicher nicht so sehr auf. Nein! Erstens hatten sie sich an dem lauschigen kleinen Hafen über alte Zeiten im Berliner Hotel seines Vaters köstlich amüsiert, zweitens trug Paolo auch nur eine Jeans, und drittens hatte ihr bisher niemand Beachtung geschenkt. Außer vielleicht der Mann, der mit ihrer Mutter bis eben noch auf der Tanzfläche gestanden hatte und sie nun leicht entgeistert ansah. Bildete sie sich das bloß ein oder klang Paolos »Mein Vater« etwas respektlos, als müsste er sich für ihn entschuldigen. Anja war sich nie sicher, ob sie einfach nur besonders gute Antennen für solche Zwischentöne hatte oder dazu neigte, viel zu pessimistisch zu sein. So, wie es aussah, mochten die beiden Männer sich nicht sonderlich, oder es lag irgendeine Verstimmung, von der sie nichts wusste, in der Luft.
»Hallo, Paolo. Möchtest du mich nicht vorstellen?« Die Frage hatte einen leicht vorwurfsvollen Unterton und beinhaltete Unausgesprochenes, nämlich »den nicht eingeladenen Gast«. Immerhin sprach der Gastgeber exzellent deutsch, aber das konnte man wahrscheinlich von einem international operierenden Hotelier auch zu erwarten.
»Anja, meine Freundin.« Nun lehnte sich Paolo aber weit aus dem Fenster. Gut, sie waren früher mal zusammen gewesen, aber rechtfertigte dies, dass er sie mit weit aufgefächerten Pfauenfedern ausgerechnet seinem Vater vorstellte? »Wir kennen uns noch aus Berlin«, fügte er hinzu.
»Aus Berlin...« Paolos Vater wirkte nachdenklich. »Anja?«, versuchte er sich krampfhaft zu erinnern.
Sie nickte beschämt, als Roberto de Andre sie musterte und vermutlich gerade darüber nachgrübelte, ob sein Sohn jemals mit einer pummeligen Frau zusammen gewesen sein konnte.
»Machen Sie Ferien auf Capri, mit Ihrer Mutter?«
»Ja, es hat sich kurzfristig so ergeben.« Die Wahrheit konnte sie ihm jetzt ja wohl schlecht sagen. So richtig sympathisch war Paolos Vater nun wirklich nicht.
»Wie gefallt es Ihnen auf Capri? Ich bin mir sicher, Paolo hat Ihnen schon einiges gezeigt.«
»Großartig. Hier ist es so schön, dass ich am liebsten für immer dableiben würde.« Bewusst blinzelte sie Paolo an und erzielte damit prompt die gewünschte Wirkung.
Sein Vater erschrak fast ein bisschen bei dieser Bemerkung, was Paolo amüsierte.
»Darf ich meinen Sohn für einen Moment entführen?« Roberto de Andre blickte sich kurz um und entdeckte ihre Mutter am Buffet. »Da ist ja Ihre Mutter. Warum leisten Sie ihr in der Zwischenzeit nicht ein bisschen Gesellschaft?«
Wenn das mal keine Kampfansage war. Sie warf Paolo einen verliebten Blick zu. »Aber bleib nicht zu lange, Schatz.«
Paolo verstand sofort und spielte mit. »Versprochen.«
Der Gastgeber glühte offenbar und führte seinen Sohn regelrecht ab. Dass Paolo sich noch einmal kurz nach ihr umdrehte und ihr zuzwinkerte, bekam sein Vater Gott sei Dank nicht mit. Immerhin wusste sie jetzt, woran sie war, jedenfalls was ihre beruflichen Pläne betraf. An privater Front war sie sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob Paolos Interesse nicht eher aus dem Umstand erwuchs, dass er seinen Vater gerne provozierte. Hatte er sie etwa deshalb auf das Fest mitgenommen? Die in den letzten Jahren herangewachsene Pessimistin in ihr meldete sich lautstark zu Wort, und Anja zwang sich, ihr den Mund augenblicklich zu verbieten.
»Sag mal, spinnst du jetzt total? Was willst du von dieser... dieser...«
Seinen Vater so wütend zu sehen, bereitete ihm Freude. »Deutschen?...«
»Paolo! Das ist hoffentlich nicht dein Ernst. Du könntest jedes Mädchen haben. Sie liegen dir zu Füßen. Deine Freundin Barbara war so eine hübsche junge Frau und erst ihre Figur... So eine Frau...«
»Du hast mamma doch auch geliebt, oder?«, fiel Paolo ihm ins Wort. »War sie etwa
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