Elli gibt den Loeffel ab
bereitete es ihr, Doros vorwurfsvollen Seitenblick erleben zu dürfen. Nachdem ihre Schwester den Fehler begangen hatte, den Namen Dieter Bohlen in den Mund zu nehmen, war die Stubenfliege Feuer und Flamme. Den würde sie bestimmt nicht so schnell wieder los.
Die Osteria lag irgendwo inmitten des Nichts, weitab des touristischen Trubels. Heinz mochte in die Jahre gekommene alte Restaurants sehr, an denen hier und da sogar schon mal der Putz abbröckelte. Richtig urig und mit den Weinreben, die sich die Mauer entlangrankten und an den Eisenstangen zum schattenspendenden Dach verwoben, war es ein traumhafter Platz für eine Rast.
Landgasthäuser waren zudem preiswert und hatten oft eine gute regionale Küche. Außerdem konnte man so viel leichter mit Einheimischen in Kontakt kommen. Zu dumm, dass er der einzige Gast war. Was Elli wohl gerade machte? In ihrem fantastischen Kleid bezauberte sie gewiss alle Gäste. Nur zu gerne hätte er sie darin gesehen, doch der Gedanke, in der Casa Bella herumzulungern, in dem Wissen, dass sich die anderen auf das Fest vorbereiteten, war nicht sehr ersprießlich gewesen. Viel lieber hatte er den Nachmittag auf den Wanderwegen im Landesinneren, die an blühenden Tälern entlangführten, verbracht.
Oskar war völlig erledigt und schlief bereits tief und fest neben ihm auf einem einfachen Plastikklappstuhl. Am Ende müsste er den Hund noch tragen. Ob sie es wohl schafften, sich mit Roberto de Andre zu einigen? Was war das überhaupt für eine merkwürdige Angelegenheit? Ein Investor wollte eine Pension von jemandem erwerben, der sie offiziell noch gar nicht besaß. In Italien war zwar vieles möglich, aber Geschäfte dieser Art waren höchst ungewöhnlich. Andererseits, was ging ihn die Sache überhaupt an? Gar nichts. Trotzdem nagte die Befürchtung an ihm, dass sich Elli und Dorothea über den Tisch ziehen lassen könnten.
Elli war nach allem, was er von ihr mitbekommen hatte, dringend auf das Geld angewiesen. Der großspurige Capreser dagegen mit Sicherheit nicht. Vielleicht sollte er noch einmal unter vier Augen mit Elli reden, ihr zumindest ein paar Tipps geben. Lange genug hatte er in seinem früheren Leben, wie er es nannte, als Investmentbanker Kunden in finanziellen Fragen beraten. Es ging ihn dennoch nichts an. Aber Elli ging ihn etwas an... Oder vielleicht doch nicht?
»Möchten Sie noch einen Espresso?«
Heinz nickte in Richtung des Obers, der ihn offenbar sanft dazu auffordern wollte, an einen Aufbruch zu denken. Wenn nur alle Entscheidungen im Leben so einfach wären.
Nichts war schlimmer, als sich mit Kollegen auf einem Empfang, noch dazu mit mittlerweile deutlich gestiegenem Limoncello-Pegel, über die Arbeit zu unterhalten. Schon wieder schenkte ihr die Limonenfrau nach. Das Zeug schmeckte aber auch zu gut. So richtig süffig und frisch, aber auch verdammt stark.
Ohne den Likör würde sie den nicht enden wollenden Vortrag über die marode italienische Presselandschaft und darüber, wo Berlusconi angeblich überall die Finger drin hatte, jedoch nicht ertragen. Noch viel schlimmer aber war das, was sich ihr auf der Tanzfläche darbot. Elli und Roberto de Andre schwoften immer noch im Pulk der anderen Paare. Sie lächelten sich an, klatschten gelegentlich in Richtung der Combo und tanzten immer weiter. Was hatte ihre Schwester bloß vor? Dorothea nahm noch einen Limon-cello, und zwar auf ex. Nein, sie wollte nicht wissen, welchen Artikel die Stubenfliege als Nächstes plante. Viel mehr interessierte sie, warum sich Elli so an den Gastgeber heranmachte. Die Combo spielte »Save your kisses for me«, einen Foxtrott. Auf der Tanzfläche herrschte gute Laune. Dejá-vu! Und was für eins, das Dorothea regelrecht eine Faust in die Magengrube rammte.
»Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich ihr Kollege besorgt.
»Vielleicht ein bisschen zu viel Limoncello«, log sie. »Bitte entschuldigen Sie mich.«
Zu ihrer großen Erleichterung ging er ihr nicht nach. Dorothea holte sich ein Glas Wasser und musste sich setzen. Neunzehnhundertsechsundsiebzig: Es fühlte sich an, als wäre sie, ohne es zu merken, in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, das sie in eine andere Zeitebene katapultiert hatte. Damals hatte Elli genau auf jenen Song mit Josef getanzt, auf einem Filmempfang, um genau zu sein. Eine unvergessliche Nacht, fast schon traumatisch.
Zwei Wochen, nachdem sie Josef auf der Pressekonferenz zu Martin Scorseses Taxi Driver kennengelernt hatte, war sie sich sicher
Weitere Kostenlose Bücher