Ellin
in den Palast zu ziehen, um bei den Schweinen zu leben, denn niemand sonst wird uns in seiner Nähe dulden. Man wird uns verbieten, Geschenke anzunehmen und wer weiß, vielleicht werden wir sogar dafür bestraft, dass wir Yasu nicht aufgehalten haben.«
»Ihr könnt uns gerne begleiten«, schlug Ellin vor.
Manua machte eine abfällige Geste. »Niemals. Ihr werdet dort draußen entweder verhungern oder von wilden Tieren gefressen. Und wenn nicht, wird man euch irgendwann fangen, spätestens dann ist euer Leben verwirkt. Ich verspüre kein Bedürfnis, dieses Schicksal zu teilen.«
Yasu trat aus dem Haus, unter dem Arm ein großes Bündel.
»Ich bin bereit«, sagte sie atemlos.
»Tu es nicht!«, bat Manua.
Yasu umarmte sie, ihre Haut war so hell, wie Manuas dunkel war. Aufgrund des Größenunterschieds sah es aus, als würde ein Kind seine Mutter umarmen.
»Leb wohl, Manua«, sagte Yasu.
Manua presste die Lippen aufeinander. »Du dummes Ding, das wirst du bereuen.« Sie zögerte. »Hast du wenigstens Brot und Trockenfleisch mitgenommen?«
Yasu nickte. Manua schob sie von sich. »Dann geh, du verrückte kleine Sklavin! Geh und blicke nicht zurück.«
Ellin nahm Yasu bei der Hand. Fast rechnete sie damit, dass sie es sich anders überlegen würde, doch die Sklavin zögerte nicht. Gemeinsam verschwanden sie in den Wald.
Anfänglich versuchten sie, abseits der Pfade zu bleiben, doch das dichte Gestrüpp aus Farnen, Schlingpflanzen und riesigen Wurzeln machte ein Vorwärtskommen fast unmöglich. Zudem stießen sie auf allerlei wildes Getier, von dem sie nicht wussten, ob es ihnen gefährlich werden konnte oder nicht. Als eine tiefschwarze Schlange aus dem Schatten zwischen den Bäumen huschte und ihnen zischend den Weg versperrte, beschlossen sie, lieber auf dem Pfad zu bleiben. Immer wieder hielten sie inne und horchten auf Verfolger, doch außer den Geräuschen des Waldes und der Tiere war nichts zu hören. Als die Nacht hereinbrach, kletterten sie auf einen Baum, verscheuchten die vorwitzigen Apinas und bereiten ein Nachtlager. Sie teilten sich ein karges Mahl und schliefen aneinandergekuschelt ein.
21
M it leuchtenden Augen blickte Nosara auf die geöffnete Truhe. Schmuck und Prasis waren ein Anblick, dem sie sich nicht zu entziehen vermochte. Zwar war der Schmuck nicht so filigran und sauber gearbeitet wie der Schmuck aus Kismahelia, doch dafür war er massiv und protzig und über und über mit Edelsteinen bestückt. Sie zog eine lange Kette aus dem Wust und hielt sie gegen das hereinfallende Sonnenlicht. Der Anhänger bestand aus einem makellosen, goldgefassten Blutstein, der das Licht reflektierte und einen roten Glanz auf ihr Gesicht zauberte.
»Nur dass ich das richtig verstehe, Lord Wolfhard, Ihr bietet mir diese Truhe samt Inhalt im Tausch gegen eine einfache Dienerin?« Während sie sprach, blieb sie in die Betrachtung des Blutsteins vertieft.
Lord Wolfhard nickte. »So ist es, Herrin.«
Langsam ließ sie die Kette sinken und beäugte den knienden Mann zu ihren Füßen. »Warum? Was ist so besonderes an dem Mädchen?«
Trotz und Wut flammten in Wolfhards Gesicht auf. Offensichtlich widerstrebte es ihm, ausgefragt zu werden. Nosara gefiel es, wie er sich abmühte, eine freundliche Miene zu wahren.
»Sie ist eine Verräterin und sie besitzt etwas, das mir gehört«, gab er widerwillig zu.
Nosara bedeutete ihm, sich zu erheben und wies ihm einen Platz auf einem Sitzkissen zu. Wolfhard musterte das Kissen argwöhnisch, bevor er sich unbeholfen setzte. Schweigend beobachtete sie, wie er umständlich auf dem Polster herumrutschte und versuchte, eine bequeme Sitzposition zu finden. Auf ihren Wink hin reichte ihm ein Diener einen Würzwein. Eine spezielle Mischung, die Lord Wolfhards Zunge lösen sollte. Er leerte ihn in einem Zug, machte ein überraschtes Gesicht und schnupperte an dem Becher.
Nosara beugte sich vor und lächelte ihn verführerisch an. »Schmeckt Euch der Wein?«
Lord Wolfhard nickte. Sein Blinzeln zeigte ihr, dass die Wirkung bereits eintrat.
»Das nenn ich ein starkes Gebräu. Was ist das?«, fragte er.
»Eine geheime Mischung aus seltenen Früchten und Gewürzen. Ich habe ihn von meinem besten Weinbauer kreieren lassen. Möchtet Ihr noch einen Schluck?«
Lord Wolfhard rülpste und grinste. »Immer her mit dem Gesöff.«
Sofort trat der Diener hinzu und füllte seinen Becher auf. Vertraulich legte Nosara eine Hand auf Wolfhards Schultern und beugte sich noch ein wenig näher.
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