Ellin
murmelte er zwischen den Küssen. »Wirst du mir erzählen, was mit ihm geschehen ist?«
Ellin drehte sich um und blickte ihn an. Obwohl sie bis zur Taille nackt war, schämte sie sich nicht und sie hatte auch keine Angst. Sie mochte unerfahren sein, doch seine Nähe war ihr so vertraut, als hätten sie das Lager schon vor langer Zeit miteinander geteilt. »Vielleicht, eines Tages. Noch kann ich nicht darüber sprechen.«
Kylians Hand fuhr über ihren Arm bis hinauf zur ihrer Brust. Er zögerte. »Hat er … hat er dir Gewalt angetan?«
»Dazu kam er nicht.« Sie verschränkte die Arme in seinem Nacken und zog ihn zu sich hinab. Sie wollte von ihm berührt werden und ihn endlich spüren. Überall. »Ich habe so lange auf dich gewartet, Kylian, lass uns diese Nacht nicht mit Gesprächen über einen Toten verschwenden.«
Er lächelte. »Du hast recht, wir haben lange genug gewartet.« Seine Lippen senkten sich auf ihre. Endlich ließ er sich von seinem lange unterdrückten Verlangen leiten.
Zwei Tage später schlossen sie den Bund. Tilda und Affra bezeugten den Schwur. Guntar blickte ein wenig missmutig drein, hatte er doch gehofft, dass Ellin seinen Bruder zum Gefährten nehmen würde, doch war ein fremder Mann an ihrer Seite immer noch besser als gar kein Mann. Ellin wunderte sich über Kylians Sinneswandel. Er, der nie hatte sesshaft werden wollen, war plötzlich bereit, sich an Land und eine Gefährtin zu binden.
Sie wusste, dass er seine Schwester und Jesh vermisste und als die Ernte vorüber war, schlug sie ihm vor, die beiden zu suchen. Kylian lehnte ihren Vorschlag ab.
»Eines Tages«, sagte er, »werden sie ihren Weg hierher finden.«
Ellin hoffte inständig, dass er recht behalten möge. Zudem sparte sie jeden Prasi um eines Tages Yasu freikaufen zu können, denn den Schwur, den sie im Wald von Huanaco geleistet hatten, hatte sie nicht vergessen.
Jeder Tag glich dem vorherigen. Die Ruhe und Beschaulichkeit ihres neuen Lebens half dabei, ihre geschundenen Seelen zu heilen.
Stundenlang saßen sie vor dem Fenster ihrer Hütte und redeten, doch niemals sprachen sie über die Nacht in Lord Wolfhards Schlafgemach und auch nicht darüber, wie es ihr gelungen war zu fliehen. Manchmal erwachte Ellin tränenüberströmt und rief nach dem Mädchen, dass sie für immer verloren hatte. Dann zog Kylian sie in seine Arme und tröstete sie. Er stellte keine Fragen. Eines der vielen Dinge, die sie so sehr an ihm liebte.
Dass Lord Wolfhard sie nicht geschändet hatte, hatte er in ihrer ersten gemeinsamen Nacht bemerkt, doch dass etwas Schreckliches geschehen sein musste, konnte sie nicht leugnen. Manchmal griff sie sich an die leere Stelle unter ihrem Herzen und fragte sich, ob dieser kalte Schmerz je vergehen würde.
Die Zeichen auf Kylian Haut kehrten nicht zurück und eines kühlen Morgens entdeckte Ellin ein graues Haar auf seinem Kopf. So wie sie nicht über die Nacht in Lord Wolfhards Gemächern sprach, redete Kylian nicht über den Verlust seiner Zeichnung. Beide akzeptierten, dass es Dinge gab, die zu schmerzhaft waren, um sie laut auszusprechen.
Jede Nacht liebten sie einander mit einer Leidenschaft, die Ellin erstaunte, und obwohl ihrer Vereinigung stets auch ein Hauch Verzweiflung anhaftete, war sie zutiefst dankbar, für das Glück, das ihr so unerwartet zuteilgeworden war. Täglich dankte sie den Göttern für das fruchtbare Land und den liebevollen Mann an ihrer Seite und wenig später auch für das Kind, dass in ihrem Leib heranwuchs und die leere Stelle unter ihrem Herzen füllte.
Ende
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