Ellin
sich unter ihre Arme und halfen ihr auf, führten sie mit sanftem Druck aus Lord Wolfhards Gemächern. Unter glühenden Schmerzen stolperte sie den Korridor entlang. Das Gewand hing in Fetzen von ihrem Leib und entblößte mehr als es verbarg.
»Warum hast du dich ihm widersetzt, Mädchen?«, fragte eine mitleidige Stimme, die sie als einen der Wachmänner vor Lords Wolfhards Tür erkannte. Sie war zu schwach für eine Erwiderung. Die Welt erschien ihr wie ein feuriger Strom, der sie auf seinem kochenden Brodem trug.
Fast wäre sie zusammengesackt, als der Wachmann sie für einen Augenblick losließ, um die Tür zu ihrer Kammer zu öffnen. Doch im letzten Moment verhinderte er den Fall und schob sie zu ihrer Schlafstatt. Bäuchlings sank sie auf die Kissen. Die Bewusstlosigkeit griff nach ihr, hüllte ihre Sinne in gnädige Dunkelheit.
»Bei allen Heiligen, wieso hat er sie so zugerichtet?« Die Stimme kam von weit her, drang gedämpft, wie durch dicke Mauern an ihr Ohr.
»Er wollte sie als seine Bettgefährtin, doch sie hat sich ihm widersetzt«, antwortete eine andere Stimme, die ebenso weit entfernt schien.
Jemand seufzte. »Sie sollte es besser wissen.«
Ein unsäglicher Schmerz fuhr ihren Rücken hinab, als würde siedendes Öl über ihre Haut rinnen. Ein Wimmern tropfte von ihren Lippen.
»Schscht, ist ja gut, Kleine. Ich weiß, es tut weh, doch es muss sein.« Das war Mathýs Stimme.
Die zweite Person stand auf und hantierte an der Feuerstelle herum. Ellin hörte, wie Holzscheite aufeinandergestapelt wurden und dann das zischende Geräusch der Feuersteine. Bald darauf verbreite sich angenehme Wärme.
»Ich gehe in die Küche zurück, Lord Wolfhard verlangt sicher bald nach seinem Mittagsmahl«, sagte Affra. Ihre Schritte entfernten sich. Ein kühler Hauch streifte Ellins nackte Haut.
Sie riss die Augen auf. Sie war nackt? Ihr zerfetztes Gewand lag, zusammen mit allem anderen, was sie am Leib getragen hatte, am Boden. Bei dem Anblick brandeten neue Schmerzen über ihren Körper und entlockten ihr ein Stöhnen.
»Gleich ist es vorbei«, versprach Mathýs. »Ich verbinde nur noch deine Wunden.«
Sie öffnete die Lippen, wollte etwas sagen, doch mehr als ein Krächzen kam nicht heraus. Erneut entglitt ihr die Welt, verschwamm zu einem schemenhaften Brei und zog sie in die Dunkelheit.
2
E ine gewaltige, aus schwarzem Stein gehauene Statue ragt in den Himmel empor, ihre Häupter der großen Sonne entgegengestreckt, umrahmt von ihren gleißenden Strahlen. Die Luft flimmernd vor Hitze und einem uralten Zauber, der sie schützend umgibt. Um sie herum ist nichts, nur eine endlos erscheinende, schwarze Wüste, steinig und trocken. Erbarmungslos brennt die große Sonne alles nieder, macht es unmöglich, die Statue zu berühren, die so heiß ist wie ein Feuertopf.
Auf dem Sockel der Statue liegen unansehnliche Blumen. Ihre gelbbraunen, runzeligen Blüten erinnern Ellin an vertrocknete Blätter. Sie zittern leicht, während sich in ihrer Hülle ein Funken bildet, der sich rasch ausbreitet.
Sie muss diese hässlichen Blumen haben, bevor sie verglühen! Zitternd streckt sie ihren Arm aus und schiebt ihn durch das Flimmern hindurch an den Rand des Sockels. Ein gleißender Strom schießt ihren Arm hinauf, kaum dass sie einen Finger an den schwarzen Stein gelegt hat, und verbreitet sich in Windeseile in ihrem Leib. Sie öffnet die Lippen zu einem Schrei, doch kein Laut dringt aus ihrem Mund. Der gleißende Strom fließt ihren Rücken hinab, setzt ihn in Flammen. Es brennt. Unerträgliche Qualen. Schmerzen, Schmerzen und endlich ein erlösender Schrei …
Mit einem Ruck fuhr Ellin aus dem Schlaf. Der Traum verschwand, ließ nur die Schmerzen zurück. Stöhnend blickte sie sich um. Noch immer lag sie bäuchlings auf ihrer Bettstatt. Unbekleidet. Vorsichtig drehte sie den Kopf. Mathýs saß auf der Bettkante und bearbeitete ihren Rücken mit einer Kräutersalbe, die, wie Ellin wusste, die Schmerzen linderte und gleichzeitig dafür sorgte, dass die Wunden sich nicht entzündeten.
»Den Göttern sei Dank, du bist wach«, sagte der Heiler.
Ein heftiger Schmerz streute seine Saat über ihre Haut. Sie sog scharf die Luft ein.
»Es tut mir leid, ich bin so vorsichtig wie möglich.«
»Wie lange war ich bewusstlos?«, fragte sie.
»Die ganze Nacht und den gesamten Tag hindurch«, erwiderte Mathýs. »Hast du Durst?«
Sie nickte schwach. Das hatte sie tatsächlich. Ihre Lippen waren aufgesprungen und ihr Mund
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