Ellin
ob sie seine Gefährtin ist.«
Nun war es an Ellin, ihn vorwurfsvoll anzusehen. »Vielleicht bin ich eine Närrin, doch solange ich atme, lasse ich mich nicht in Lord Wolfhards Bett zerren. Soll er sich doch eine Prasifrau nehmen, wie es die Soldaten tun.«
Mathýs seufzte, während er vorsichtig eine dünne Decke über ihren Leib zog. »Ruh dich aus«, sagte er und tätschelte ihren Kopf. »Später denkst du vielleicht anders darüber.«
Ohne einen Abschiedsgruß verließ er die Kammer. Ellin war zu müde, um sich über seine Worte zu grämen. Zuerst einmal musste sie schlafen, damit ihre Wunden heilen konnten. Ihre Augen fielen zu und schon im nächsten Moment war sie wieder eingeschlafen.
Eine sanfte Berührung an ihrer Schulter weckte sie. Träge öffnete sie die Augen.
»Wach auf, Kind.« Affras Stimme holte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Sie drehte sich auf die Seite und blickte in das rotwangige Gesicht der Köchin.
»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte Ellin.
»Sehr lange, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Doch deine Wunden heilen gut.« Sie hielt ihr eine Schale mit dampfendem Eintopf hin. »Hier Kind, iss, damit du wieder zu Kräften kommst. Schließlich sollst du nicht hungrig in die Fremde hinaus.«
Mühsam und unter Schmerzen richtete Ellin sich auf und griff nach der Schale. Ihr Magen knurrte vernehmlich.
»Ich danke dir.« Während sie die Suppe schlürfte, fiel ihr Blick auf ein großes Bündel.
Affra grinste. »Ich habe mir erlaubt, dir ein paar Dinge einzupacken, die du sicher wirst gebrauchen können. Etwas Trockenfleisch, ein paar Gerstfladen und Käse sowie einen Umhang, feste Kleidung und ein Messer.«
Ellin sah die Köchin fragend an. »Mathýs hat dir verraten, dass ich fliehen will?«
Affra nickte. »Er bat mich darum, dich zur Vernunft zu bringen.«
Erneut blickte Ellin auf das prall gefüllte Bündel. »Offensichtlich hast du nicht vor, seiner Bitte nachzukommen?«
Die Köchin seufzte tief. »Ich kenne dich. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, ist es fast unmöglich, dich davon abzubringen. Und ich verstehe dich, denn auch wenn ich nicht mehr jung und hübsch bin, so gab es eine Zeit, in der ich es war.« Ihr Blick wurde hart. »Eine Zeit, in der auch Lord Wolfhard ein junger Mann gewesen ist, der keinen Augenblick die Finger von den Mägden lassen konnte. Schon damals war er ein Lüstling.«
Ellin riss die Augen auf. »Hat er dich etwa geschändet?«
Affra enthielt sich einer Erwiderung, doch ihre verbitterte Miene war Antwort genug. Hastig reichte sie ihr einen dicken Gerstfladen. »Hier iss. Morgen früh findet Lord Wolfhards Waffeninspektion statt. Da werden die Soldaten keine Zeit zum Herumlungern haben. Das ist die beste Gelegenheit für dich zu fliehen.«
»Morgen schon?« Ohne dass sie es zu verhindern vermochte, traten Tränen in ihre Augen. Zwar war es ihr fester Wille, die Festung zu verlassen, doch dass der Moment der Flucht so schnell herbeieilte, erschreckte sie.
»Woher hast du eigentlich das Messer?«, fragte sie schnell, um sich abzulenken.
Affra zuckte mit den Schultern. »Ich bin die Köchin und umgeben von Messern.«
»Und wenn Lord Wolfhard etwas von dem Diebstahl bemerkt?«
Affra hob ihre fleischige Hand und tätschelte Ellins Wange. »Niemand wird etwas bemerken, Kind. Ich bin die Einzige, die über das Küchenzubehör Buch führt, folglich bin ich auch die Einzige, die das Fehlen eines Messers bemerkt.«
Eine einsame Träne rollte über Ellins Wange. »Wie kann ich das je wiedergutmachen?«
»Indem du überlebst.« Affra betrachtete sie ernst. »Nach dem Essen werde ich dir beim Ankleiden helfen. Mathýs hat Salbe dagelassen.«
Ellin nickte stumm und senkte den Kopf. Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle zu unterdrücken. Affras Unterstützung und ihre aufrichtige Sorge verdeutlichten ihr, dass sie nicht nur Schrecken und Grausamkeit hinter sich ließ, sondern auch Menschen, die sie liebte. Während sie ihre Notdurft verrichtete, zog Affra ein frisches Gewand aus der Truhe. Sie bedeutete Ellin, sich bäuchlings auf die Bettstatt zu legen und verstrich dann die Salbe auf den Striemen. Obschon sich eine dicke Kruste auf der Haut gebildet hatte und Affra sehr behutsam vorging, tat es noch immer entsetzlich weh. Ellin musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut zu jammern. Nachdem sie das Nachtgewand übergestreift hatte, sank sie erschöpft auf die Bettstatt zurück und schloss die Augen. Eine einzige Frage trieb
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