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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Brustpanzer leuchtete eine weiße Tunika aus feiner Wolle hervor, und ihre langen Beine steckten in engen Hosen aus weichem schwarzen Leder. An ihrem Schwertgurt hing das zeremonielle Schwert der Rechten Hand , ein riesiges, reich verziertes Ding von ganz erstaunlichem Gewicht. Dazu kam dann noch ein langer, schwerer Samtmantel mit dem Falken von Kerel Nor, der im Augenblick noch über einem Stuhl in Karas' Zimmer lag.
    Sie legte den Helm auf dem Stuhl ab und nestelte an Karas' widerspenstigem Kragen herum. Der Kammerherr war, wie meist, eher unauffällig gekleidet: Er trug schlichte schwarze Hosen, eins seiner blendendweißen Hemden, vielleicht mit ein paar Rüschen mehr als gewöhnlich; eine dezent silberbestickte lange Weste von einem fast schwarz erscheinenden tiefen Rotton, und auf dem Diwan lag noch ein schwarzseidener Rock mit langen Schößen und dunkelroten Aufschlägen bereit. Keine Ordensschärpe, wie zu dem Treffen mit dem Gesandten von Rhûn und Rhan, kein lächerliches Augenglas und an den Füßen bequeme, flache Schuhe.
    Endlich war der Kragen gebändigt, der Rock angezogen, und Veelora hatte ihren langen Mantel an den Schulterriemen ihres Harnischs befestigt und den blitzenden Helm wieder unter ihren Arm geklemmt. »Wir können«, stieß sie aufatmend hervor. »Karas, wo ist dein Stock? Elloran, zieh deine Strümpfe hoch. Kommt, ihr beiden, macht nicht solche Gesichter!«
    In der großen Halle herrschte schon vor dem Öffnen der großen Flügeltüren emsiges Getriebe. Veelora prüfte die Galauniformen ihrer Leibgarde, legte dann den Helm auf ihren hochlehnigen, geschnitzten Stuhl links neben dem Thron und starrte wütend auf den leeren Sitz der anderen Hand der Krone.
    »Wo bleibt sie nur? Wir können die Türen nicht öffnen, ehe die Oberste Maga an ihrem Platz ist. Wie sieht das denn aus?«
    Karas, der mit ergebener Miene auf einem niedrigen Stuhl am Fuße der Thronempore hockte, zuckte nur mit den Achseln. »Sie wird schon kommen, Vee, beruhige dich. Es ist noch ein wenig Zeit.«
    Veelora prustete erbost und ging zum dritten Mal zum Thron hinüber, um den schmucklosen Stirnreif, der dort auf den leicht verblichenen Polstern lag, zurechtzurücken. Sie hielt ihn für einen kurzen Augenblick in den Händen. Ich meinte, einen Schimmer von Tränen in ihren Augen zu sehen. Dann fuhr sie herum, daß ihr Mantel eine Wolke von Staub aufwirbelte und bellte eine Anweisung an die Kommandantin ihrer Leibgarde. Ich stand wie befohlen hinter dem Stuhl meiner Großmutter und blinzelte von dort aus Jenka zu, die mit erhobenem Kinn in der Reihe der strammstehenden Soldatinnen stand und in ihrer warmen Galauniform heftig zu schwitzen schien. Sie grinste kurz und wurde dann wieder ernst.
    »Karas! Unternimm endlich was! Wir können nicht länger warten!« schimpfte Veelora und trat aufgebracht ihren Mantel beiseite, der sich bei ihrer letzten heftigen Drehung um ihren Knöchel gewickelt hatte wie ein allzu anhänglicher Schoßhund.
    »Reg dich nicht unnötig auf, Veelora. Ich bin hier«, erklang eine tiefe ruhige Stimme aus dem Dämmerlicht des kleinen Seiteneingangs. Eine hohe, in einen fließenden schwarzen Umhang gekleidete Gestalt trat herein und ging lautlos zu dem leeren Stuhl unter dem schwarzen Banner der Obersten Maga. Sie schlug die weite Kapuze von den weißen Haaren zurück und nickte Karas hoheitsvoll zu. Ihre Vogelaugen ruhten eine Weile lang auf mir und glitten dann weiter zu meiner Großmutter. »Bitte, geschätzte Kollegin, wir können beginnen.«
    Veelora schnaubte verächtlich und winkte dem Zeremonienmeister, der an der Tür von einem Fuß auf den anderen trat. Erleichtert gab er den Lakaien den Befehl zum Öffnen. Der Frühlings-Krontag nahm seinen Anfang.
    Es war ein langes und ermüdendes Zeremoniell. Ich beneidete meine Großmutter, daß sie sich wenigstens ab und zu zwischen den einzelnen Ehrungen und formellen Begrüßungen hinsetzen konnte. Karas Gesicht nahm im Laufe der Stunden den fahlen, erschöpften Ausdruck an, der auf heftige Schmerzen hindeutete. Einzig Leonie schien dieser ganze Zirkus nichts auszumachen. Sie saß schweigend und unnahbar auf ihrem Stuhl, eine reglose schwarze Hand auf der Armlehne, und bewegte sich so wenig, daß man genausogut eine holzgeschnitzte Figur an ihrer Statt dort hätte hinsetzen können. Nur ihre gelben Augen bewegten sich von Zeit zu Zeit. Ich war sicher, daß ihr keine noch so winzige Einzelheit der Geschehnisse entging.
    Endlich, gegen späten Mittag,

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