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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Runde.
    »Entschuldigung, junger Herr«, brummte der Hüne endlich in fließendem L'xhan. »Ich suche nur jemanden. Ihr seid ganz alleine hier?« Ich nickte stumm, mit einem Kitzeln im Hals, das jeden Augenblick drohte, als unbändiges Gelächter herauszuplatzen. »Dann verzeiht die Störung.« Er zog den Kopf zurück. Ich hörte ihn rufend zur anderen Seite des Hofes hinübergehen. Eine Tür schlug zu, und wir waren wieder alleine.
    »D-du kannst runterkommen. Er ist w-weg«, rief ich leise. Die Zweige raschelten und bebten. Neben mir glitt Cesco zu Boden, mit strahlenden Augen und einem mutwilligen Grinsen.
    »Danke für helfen. Aber jetzt ich besser gehe, sonst Giacchîn böswild furiosig!« Eine furchterregende Grimasse stellte bildhaft die zu erwartende Gemütslage des Erziehers dar. Ein kurzes Winken, und die Erscheinung war fortgehuscht. Ich kicherte und fühlte mich mit einem Mal nicht mehr gar so niedergeschlagen. Vielleicht nahm ich ja wirklich alles viel zu ernst. Ich rappelte mich auf und ging hinein, um nach Jenka zu suchen.
    Vor dem Abendessen mit Veelora und dem Kammerherrn – ich brachte es noch nicht einmal in Gedanken fertig, ihn ›Großvater‹ zu nennen – grauste mir. Jenka hatte ich einigermaßen beruhigen können; allerdings zu dem Preis, daß ich sie hatte belügen müssen. Ich nahm das als meinen ersten Versuch in Lug und Trug. Daß er mir gut gelungen war, wagte ich zu bezweifeln. Jenkas Gesicht war traurig und enttäuscht gewesen, als wir uns trennten.
    Es kam mehr oder weniger, wie ich befürchtet hatte. Karas und Veelora waren sehr schweigsam, eine Mißstimmung hing zwischen ihnen in der Luft. Wir stocherten alle drei appetitlos in unserem Essen herum, und Karas sprach überaus eifrig seinem Wein zu. Veelora warf ihm deshalb von Zeit zu Zeit tadelnde Blicke zu, die er aber hartnäckig übersah. Irgendwann schaute er auf und sah mich an, ohne mich wirklich zu sehen. Sein Blick wirkte verschattet und gequält, und ich erwiderte ihn so kalt, wie es mir möglich war. Er seufzte lautlos und griff wieder nach seinem Glas.
    Veelora legte mahnend ihre Hand auf die seine und sagte sanft: »Karas.« Er sah zu ihr hin, und sie schüttelte leicht den Kopf. Seine Finger krampften sich so um das Glas, daß ich erwartete, es würde in seiner Hand zersplittern. Sie nahm es ihm behutsam ab und legte beide Hände um seine geballte Faust. Ihre Blicke fochten ein stummes Duell aus.
    Ich stand auf und schob meinen Stuhl an den Tisch. Veelora blickte mich fragend an. »Ich habe K-Kopfschmerzen«, sagte ich. »Darf ich m-mich zurückziehen?« Sie nickte nur knapp und richtete ihr Augenmerk wieder auf Karas' starres Gesicht.
    Als ich die Tür öffnete, rührte sich der Kammerherr leicht und sagte schwerfällig: »Morgen ist Krontag, Elloran, bitte denk daran. Die Krone wird die Abordnung der Inseln begrüßen, und du solltest der Zeremonie ausgeruht beiwohnen. Schlaf gut, Kind.«
    Der Krontag. Einer der vier Tage im Jahr, an dem die Krone sich früher dem Hof und geladenen Bürgern der Kronstaaten gezeigt und Audienz gehalten hatte. An diesem Tag wurden verdiente Bürgerliche in den Adelsstand erhoben, andere mit Orden und Auszeichnungen geehrt, und hohe Staatsbeamte hatten die Gelegenheit, die Treppe noch eine weitere Stufe hinaufzufallen. In ganz L'xhan wurde ein Feiertag ausgerufen, und die Burg und die Stadt und alle ihre Bewohner waren festlich geschmückt. Abends fanden dann überall Festessen und Gelage mit den von der Krone gestifteten Getränken und Speisen statt.
    Daß die Krone nicht mehr öffentlich auftrat, hatte zumindest dem Feiern wenig Abbruch getan. Einzig das Zeremoniell bei Hofe, die Audienz, nahm natürlich einen etwas anderen Verlauf. Die Hände der Krone repräsentierten nun die höchste Macht des Staates und hielten in Stellvertretung die Zeremonie ab. Als Enkel der Herrin von Kerel Nor hatte ich mich dabei in der Nähe meiner Großmutter aufzuhalten.
    Karas' Schneider hatte mir für diesen Tag zeremonielle Kleider angemessen, in denen ich mich überhaupt nicht wohlfühlte. Der hohe steife Kragen des engen, brokatenen Wamses kratzte erbärmlich, und in den altmodischen Kniehosen und den halbhohen Schnallenschuhen kam ich mir reichlich lächerlich vor. Veelora, ihrem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ging es nicht viel besser als mir. Sie steckte in einem blankpolierten silbernen Küraß und trug einen Helm mit einem riesigen weißen Federbusch unter ihrem Arm. Unter dem

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