Ellorans Traum
verzehrte ihn mit wenigen Bissen. Der klebrige Saft lief an seinen fleischigen Wangen herunter und tropfte über sein fettes Kinn. Jetzt öffnete sich hinter mir eine Tür. Tückischer Glanz trat in seine blutunterlaufenen Augen. Achtlos ließ er den Pfirsichkern zu Boden fallen, wischte sich über den Mund und griff wieder nach dem Pokal. Den Wein hinunterstürzend, winkte er ungeduldig die eintretende Person näher.
»Sieh hin, Elloran«, wisperte die Stimme. »Das ist der Captain seiner Leibwache und seine rechte Hand , eine ihm seit Jahren treu ergebene Frau. Sie hat ihn einst geliebt, und jetzt hat sie sich mit seinen Feinden gegen ihn verbündet. Es wurde ihm soeben zugetragen. Sieh gut hin.«
Ich tat, wie mir geheißen wurde. Jenka! schrie ich auf. Sie war es, als erwachsene Frau, nicht mehr jung, mit einem Anflug von Bitterkeit im Gesicht, der nicht zu ihr paßte; aber dennoch war es unverkennbar meine liebste Freundin, mit ihren dunklen, kraftvollen Zügen und dem ausdrucksvollen, herben Mund. Sie sah dem Mann gelassen ins Gesicht. Er ging ruhelos auf und ab und erregte sich anscheinend immer mehr. Sie antwortete gelassen auf seine bohrenden Fragen und heftigen Vorhaltungen. Ich sah es an ihrem Blick: Er würde sie nicht brechen können. Das erkannte wohl auch er, denn mit einer Behendigkeit, die ich diesem unförmig aufgeblähten Körper nicht zugetraut hätte, warf er sich auf sie, um sie zu erstechen, genau wie er vor Jahren seinen Getreuen im Rosengarten ermordet hatte und danach noch viele, allzuviele andere.
Doch Jenka war vorbereitet. Sie glitt geschmeidig zur Seite und nach einem kurzen Handgemenge steckte der Dolch tief in seiner eigenen Brust. Er öffnete den Mund in unsäglicher Agonie. In seinen sich trübenden Augen stand Unglauben. ›Nein!‹ schien er tonlos zu schreien. ›Doch nicht ich!‹ Seine schwammigen Hände krallten sich den bestickten Tischüberwurf und rissen ihn samt Weinkaraffe und Obstschale hinunter. Er starb unter gräßlichen Zuckungen und lag blicklos und starr auf seinem kostbaren Teppich. Die zerdrückten Pfirsiche spiegelten sich dunkel glühend in den Lachen, zu denen sich der Wein und sein Blut vermischt hatten. Jenka aber stand neben ihm und blickte mit einem Gesicht voller Haß und Trauer auf die Leiche des mächtigsten Mannes nieder.
»Und jetzt sieh gut hin«, flüsterte meine Schwester und drehte sanft mein Gesicht der abstoßenden Fratze des Toten zu. Ihre kühlen Hände strichen über meine Augenlider, und ein Schleier hob sich. Ich erkannte ihn nun endlich und schrie, schrie von unsäglichem Ekel geschüttelt, bis meine Stimme versagte.
»Bei allen Geistern, was hat er?«
»Er wird tobsüchtig! Haltet ihn doch um Himmels willen fest, er verletzt sich noch selber!«
»Ich hole die Oberste Maga.« Eilige Schritte, Hände, die mich festhielten und ruhig zu stellen versuchten. Stimmen, die durcheinanderschrien. Und über all dem das Gesicht, das gräßliche Gesicht, das alles andere in meinem Blickfeld verdeckte. Ich riß meine Hände aus den klammernden Griffen und fuhr mir kreischend und schluchzend mit den Nägeln ins Gesicht, um das Bild aus meinen Augen zu löschen.
»Nun haltet doch seine Hände fest! Er versucht sich die Augen auszukratzen!« Hastige Schritte, eine zuschlagende Tür, erleichterte Ausrufe.
» Domna , endlich! Wir können ihn nicht mehr bändigen.«
»Geht alle hinaus, laßt mich mit ihm allein!« Lange, kühle Hände an den Schläfen, auf den Augen. Das Bild verblaßte, versank. Etwas Weiches, Kühlendes legte sich auf meine Lider.
»Kind, das war sehr gefährlich«, flüsterte Leonie. »Du hättest das nicht auf eigene Faust unternehmen dürfen.«
»Er überlebt es schon.« Die klare, kalte Stimme meiner Schwester. »Er ist ziemlich hart im Nehmen, Leonie.«
»Du weißt nicht, was du da getan hast«, seufzte die Maga mit papiertrockener Stimme. »Es kann sein, daß er hiernach nicht mehr leben will.« Schweigen.
»Wäre das so schlimm? Er ist doch ...«
»Halt den Mund! Du dummes Kind! Begreifst du denn gar nichts? Wenn Elloran jetzt stirbt, hat er das spiel gewonnen.«
»Oh!« flüsterte meine Schwester.
»Es sollte mich nicht wundern, wenn das Gift von ihm kam. War es in dem Wein?«
»Nein, ich glaube nicht. Wäre dann Cesco nicht auch krank geworden?«
»Nicht unbedingt«, antwortete Leonie nachdenklich. Sie ließ meine Hände los, die sie umklammert hatte und stand auf. Ich spürte, wie sie zur Tür ging. »Ich
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