Ellorans Traum
gedämpft. »Ich darf dich hier nicht rauslassen, aber vielleicht könnte ich – jemandem eine Nachricht überbringen oder so.« Sie blinzelte verschwörerisch. Ich schloß für eine Sekunde die Augen. Sollte es so einfach sein?
»W-würdest du das wirklich tun?« fragte ich atemlos. Sie nickte entschlossen. »W-würdest du ihn auch z-zu mir lassen?« bohrte ich. Sie zögerte. »Jenka!« rief ich beschwörend. Sie biß die Zähne zusammen und nickte wieder. Ihr Gesicht wirkte unglücklich. Ich schrie vor Freude auf und zog sie an mich. Sie legte kurz eine Hand auf mein Gesicht und blickte noch unglücklicher drein. Ich beachtete es nicht, ließ sie los und riß Papier und Feder aus der Schublade. Hastig kritzelte ich ein paar Zeilen auf das Papier, faltete es zusammen und hielt es Jenka hin. Sie nahm den Brief und steckte ihn in ihre Uniformjacke.
»D-danke«, stammelte ich. »Du w-weißt nicht, was das für mich bedeutet!« Sie nickte wortlos und ging hinaus. Der Schlüssel knirschte im Schloß. Zum ersten Mal segnete ich dieses Geräusch. Dann lauschte ich ihren sich entfernenden Schritten und schlug die Hände vor den Mund. Bei der Göttin, ich mußte mich ein wenig herrichten! Meine Haare waren schon lange nicht mehr gewaschen worden, und die Kleider, die ich trug, waren fleckig und rochen nach Schweiß. Ich wühlte ungestüm in meinem Schrank herum. Verdammt, da mußte doch noch irgend etwas anderes sein, das mir halbwegs paßte! Ein weites Hemd, das ging so gerade über die Hüften, aber die Hose – ach egal! Ich ließ sie eben ein Stück offen und zog das Hemd darüber – wenn alles nach Plan verlief, würde ich ohnehin nicht lange in meinen Kleidern stecken!
Der Nachmittag schlich vorbei wie eine Schneckenprozession. Jenka kehrte irgendwann zurück und meldete, daß sie die Nachricht abgegeben hatte. Wie ich erwartet hatte, war vor Cescos Gemächern keine Wache aufgestellt. Karas wagte es nicht, einem offiziellen Gast von den Inseln einen Soldaten vor die Tür zu stellen. Wahrscheinlich hatte er statt dessen seinen Erzieher gebeten, ein Auge auf den Prinzen zu werfen. Das machte mir wenig Sorgen, Cesco hatte in der Vergangenheit häufig genug seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt, seinem Aufpasser zu entwischen.
Komm vor dem dritten Wachwechsel, mein über alles Geliebter! hatte ich ihm geschrieben. Dann war Jenka noch im Dienst, und morgens, wenn sie die Nachtwache abgelöst hatte, konnte sie den Prinzen wieder hinauslassen. Meine Ungeduld wuchs ins Unermeßliche. Das Abendessen wurde serviert, aber ich brachte keinen Bissen herunter. Es wurde dämmrig draußen, die Sonne versank, und endlich, als ich schon dachte, er hätte es nicht geschafft, klopfte es sacht an meine Tür. Ich riß sie auf und unterdrückte noch rechtzeitig einen Freudenschrei. Ich packte Cesco am Handgelenk und zerrte ihn ins Zimmer.
»D-danke, Jen!« brachte ich noch heraus, ehe ich die Tür zuwarf und in den Armen meines strahlenden Prinzen lag. Wir fielen übereinander her wie zwei Verhungernde über ein Festessen, stumm und unbeherrscht. Erst als der erste, wütende Hunger gestillt war, begannen wir flüsternd miteinander zu sprechen.
»Ich soll zurück in Rhûn«, wisperte Cesco. »Kammerherr sehr furios. Wütig mit mir gesprecht. Nur noch mit stitutori aus câmra darfe. Dich nix seh, mî Ellorran!« Er schob seine Haare aus dem Gesicht und richtete sich auf die Ellbogen. Er betrachtete mich gründlich und strahlte vor Freude. »Du bêl geword, mî amor. So rrund und grass', ai!« Er kniff schmerzhaft in die weichen Fleischpolster auf meinen Hüften und stöhnte vor Wonne. Ich umklammerte ihn und wir rollten übereinander. »Ah, aspett' ein Augenblickîn!« sagte er atemlos und drückte mich von sich fort. »Hab Bringsel für dir!« Er sprang auf und lief zu einem Bündel, das er beim Hereinkommen achtlos neben der Tür abgelegt hatte. Er legte es zwischen uns aufs Bett und befahl: »Offen mach, Ellorran!«
Ich grinste, denn ich hatte es darin schon gluckern hören. Es war ein Krug vom feinsten roten Dolmianer, schwer und duftend wie ein schwüler Sommerabend. Ich war nicht mehr daran gewöhnt und schnell berauscht. Aber noch weit mehr berauschte mich mein Liebster, der in dieser Nacht genausowenig von mir lassen konnte wie ich von ihm. Viel zu schnell war die Nacht vorbei und der Augenblick gekommen, da ich ihn mit den ersten zaghaften Vogelrufen zur Tür hinauslassen mußte. Wir küßten uns in der offenen Tür noch
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