Ellorans Traum
kommt es in Wirklichkeit gar nicht s-so sehr auf das Geld an«, entgegnete ich nachdenklich. »Da ist irgendwas im Busch mit diesem Ruud. Ich glaube, Nik will mich b-benutzen, um ihn irgendwie in die Pfanne zu h-hauen. Wenn ich jetzt mit dem Geld ankomme, wird er sicher mißtrauisch. Ich h-habe noch nie einen Menschen mit einem so ausgeprägten Verfolgungswahn erlebt, Julian!« Magramanir krächzte amüsiert.
»Also die Briefe«, resümierte Julian.
»Ja, wunderbar!« entfuhr es mir. »Julian, die B-Briefe gibt es doch g-gar nicht! Die habe ich erfunden!«
»Ja und? Nikal glaubt dran, und dieser Ruud wird auch daran glauben. Das ist doch ein Kinderspiel, Neffe.«
»Ja, wenn du meinst«, gab ich wenig überzeugt zurück.
»Ich meine«, entgegnete er hart. »Ich besorge dir etwas, das einer oberflächlichen Prüfung standhält. Mehr brauchst du nicht. Bis irgend jemand merkt, daß die Briefe nicht ganz so wertvoll sind, bist du mit Nikal längst über alle Berge.« Magramanir trat von einem Fuß auf den anderen.
»Ich brauche die Briefe aber b-bald«, rief ich schnell.
»War mir klar«, knurrte Julian. »Keine Sorge, Neffe, du bekommst sie rechtzeitig. Magramanir, du machst mich wahnsinnig!«
Mit diesen Worten flog der Vogel davon, und ich sah ihm noch eine Weile nach, wie er im Tiefflug über die grauen Wellen hinwegglitt.
19
M ein schrumpfender Geldbeutel trieb mich an meinen Arbeitsplatz zurück. Ich konnte nicht davon ausgehen, daß Tomas mir mein Glückskraut immer zu solchen Preisen überlassen würde, und die nächste Wochenmiete für Katarin war auch demnächst fällig. Eine frierende und verdrossen wirkende Jannin wanderte die Straße auf und ab und winkte, als sie mich kommen sah.
»Geh nach Hause, Elloran. Ruuds Schläger patrouillieren durch das Viertel. Es muß irgendwas passiert sein, oder sie suchen wieder mal jemanden. Heute traut sich keiner mehr auf die Straße. Ich hänge hier auch bloß noch rum, weil einer meiner dussligen Stammkunden versprochen hat, er käme noch.« Sie hauchte in ihre Hände und setzte mißmutig hinzu: »Und wenn der nicht sofort hier aufkreuzt, kann er sich verdammt noch mal selbst bedienen!« Ich zuckte bedauernd, aber auch ein wenig erleichtert mit den Schultern. Also würde ich in der Laterne einen Tee mit Zitrone zu mir nehmen und dann nach Hause gehen.
Die Laterne war leerer als sonst. Ich starrte in meinen Becher und fühlte mich äußerst elend. Mein Kopf schwamm, und meine Eingeweide rebellierten heftig. Eine Erkältung, das war genau das, was ich jetzt brauchen konnte! Die heiße Flüssigkeit munterte mich etwas auf, aber das Zittern meiner Hände wurde allmählich so stark, daß ich meinen Tee verschüttete. Selbst ein Röllchen Glückskraut brachte dieses Mal keine Linderung. Ich saß am Tisch, blickte auf meine Hände nieder, die auf der Tischplatte so etwas wie ein Eigenleben zu führen begannen und entschied, mich jetzt lieber schleunigst ins Bett zu begeben. Ich stand auf und fühlte den Boden unter meinen Füßen schwanken. Mein Blick verschwamm, und ich schwankte halbblind zur Tür.
»Wohl ein paar zu viel gehoben«, lachte hinter mir eine Stimme. »Schaffst du es noch alleine nach Hause, Elloran?« Ich stand vor der Tür, ohne zu wissen, wie ich hinausgekommen war. Der Boden hob und senkte sich in übelkeiterregenden Wellen, ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Cesco stand lachend vor mir und winkte mir mit zerfleischten, bluttriefenden Händen. Ich schrie auf und würgte.
»Au weh, das sieht ja übel aus«, sagte die Stimme. »Daron, hilf mir mal, wir bringen ihn lieber nach Hause.« Hilfreiche Arme griffen unter meine Achseln und stützten mich. Dankbar ließ ich mich von ihnen führen.
Katarin ächzte und lachte gleich darauf. »Junge, du bist ganz schön schwer. Hilf gefälligst ein bißchen mit, die halbe Portion Daron kann dich nämlich nicht halten!« Ich bemühte mich ehrlich, aber ich war kaum noch bei Bewußtsein.
»Einen – Augenblick«, flüsterte ich kurz vor Katarins Behausung. Ich sackte in die Knie und erbrach mich heftig.
»Alle Wetter«, meinte Daron ehrfürchtig. »Ich habe schon eine Menge Besoffener erlebt, aber das ist wirklich beängstigend. Meinst du nicht, wir sollten lieber die Heilerin rufen, Kat?«
Schweratmend kniete ich da und versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen. Katarins kräftige Hände griffen zu und hoben mich hoch. Die beiden trugen mich die letzten Meter zu Katarins Wohnung.
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