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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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hat?«
    Er drehte seinen Becher zwischen den langen Fingern. Sein knochiges, melancholisches Gesicht lag im tiefsten Schatten, aber ich konnte das grüne Funkeln seiner Augen sehen. »Wer herrscht über die Kronstaaten?« fragte er ausweichend.
    Ich stutzte, aber da ich seine verzögerten Annäherungen an ein Thema aus unzähligen Unterrichtsstunden kannte, antwortete ich brav: »Die Krone, Julian.«
    Er nickte bedächtig und nippte an seinem Wein. »Und wer ist die Krone, Elloran?«
    »Eine junge Frau, etwa Ende zwanzig, die n-niemand außer ihren engsten Mitarbeitern je zu Gesicht b-bekommt«, trug ich geduldig vor. Was hatte das eigentlich mit mir und den Fragen, die ich an ihn hatte, zu tun?
    »Falsch«, entgegnete Julian. Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. »Die junge Frau, von der du sprichst, ist als Kind einem Anschlag zum Opfer gefallen. Ihr Vater wurde dabei schwer verletzt und trägt nach wie vor die Krone.«
    »A-Augenblick mal«, protestierte ich. »Das liest sich in den Berichten aber völlig anders! Der V-Vater der jetzigen Krone wurde bei dem Attentat getötet, die junge Frau hat überlebt.« Das war der Mordanschlag gewesen, bei dem auch Karas' Tochter Elliana – Julians Schwester, wie mir jetzt einfiel – getötet worden war. Das bedeutete, daß Karas den Tod seines Monarchen miterlebt hatte. Hatte er sich damals schon gegen die Krone entschieden, um seine eigene Tochter zu retten? Zu verdenken wäre es ihm sicherlich nicht.
    Julian unterbrach mein Sinnen. »Dummes Zeug!« sagte er ärgerlich. »In den Berichten steht nur das, was alle Welt glauben soll. Wenn du die Wahrheit darüber hättest erfahren wollen, hättest du die fragen müssen, die sie als einzige kennen: deine Großeltern und die Oberste Maga.«
    »Glaubst du, die hätten m-mir irgend etwas verraten?« fragte ich aufgebracht.
    »Nein. Das liegt ganz und gar nicht in ihrem Interesse. Sie wollten dich dumm und fügsam. Was glaubst du, warum sie versuchten, dich loszuwerden? Du warst ihnen viel zu eigenwillig für ihre Zwecke.«
    Einiges leuchtete mir immer noch nicht ein, doch dann kam ich auf einen wichtigen Punkt: »Wenn die Krone w-wirklich der ist, den du mir genannt hast, ist er inzwischen ein alter Mann. W-wer aber ist die Thronerbin?«
    Er wirkte zufrieden. Anscheinend hatte ich die richtige Frage gestellt. »Genau, Elloran. Du weißt über die Bedingungen der Nachfolge Bescheid?«
    Ich nickte gelangweilt. »In jeder Generation w-wechselt das Geschlecht des Regenten. In der letzten Generation war es ein Mann, der Onkel der jetzigen K-Krone – beziehungsweise des Mädchens, das die Thronerbin war – und nach seinem Tod sein Bruder; in d-dieser Generation wäre es eine Frau, in der nächsten Generation wird es wieder ein Mann sein«, leierte ich runter.
    »Richtig. Was ist eine unabdingbare Voraussetzung für jeden Träger der Krone?«
    »Er oder sie muß über angeborene m-magische Fähigkeiten verfügen. Das ist die eine Bedingung, unter der die Zauberer die K-Krone als ihre Herrin anerkennen. Das und die Berufung des Obersten Magus als linke Hand der Regentin.«
    »Auch richtig. Und wenn du jetzt alles zusammennimmst, müßtest du dir deine Frage nach dem Thronerben eigentlich selbst beantworten können.«
    Ich schenkte ihm und mir Wein nach und dachte laut nach: »Wenn das stimmt, w-was du mir eben erzählt hast ...«
    »Glaube es ruhig.«
    »D-dann ist die Krone ein Mann von etwa Mitte oder Ende sechzig, der bei einem Attentat, bei dem er auch seine T-Tochter verloren hat, schwer verletzt wurde ...« Ich stockte.
    Er lachte leise. »Kommt dir das nicht irgendwie bekannt vor?«
    »Julian, willst du damit etwa sagen, daß Karas ...« Mir schwindelte. Die Folgen meiner Erkenntnis trafen mich wie ein Guß kalten Wassers. »Aber d-dann wäre ich ja ...«
    »Der rechtmäßige Erbe der Krone«, ergänzte Julian ruhig. »Wundert es dich jetzt noch, daß man versucht hat, dich zu vergiften?«
    Ich grub mit fliegenden Händen ein Stäbchen Glück aus meiner Tasche und steckte es mir zwischen die Lippen. Mein Kopf schwirrte, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Julian saß reglos da und beobachtete mich. Nur das kalte Feuer seiner Augen verriet seine Wachsamkeit.
    »Und du«, fragte ich endlich matt. »Was ist d-deine Rolle bei diesem Spiel?«
    Er antwortete nicht gleich. »Sagen wir, ich bin unzufrieden«, sagte er schließlich sanft. »Ich entstamme einem der ältesten Herrschergeschlechter dieser Welt,

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