Ellorans Traum
zusammen und zeigte mir eine geöffnete Dose, die mit winzigen schwarzen Perlchen gefüllt war, die aussahen wie getrocknete Meerdornfrüchte.
»Hier, das mußt du noch eine Zeitlang einnehmen. Vor allem dein Magen ist durch das Gift sehr stark geschädigt worden, aber diese Medizin wird den Trank bei der Heilung unterstützen. Keine Angst, sie schmecken nach gar nichts«, lächelte er, als er mein Gesicht sah. Feine Linien der Erschöpfung durchzogen sein Gesicht, und die Schatten unter seinen Augen hatten sich vertieft. In der düsteren Beleuchtung sah er aus wie ein alter Mann. Der Magier ließ mich noch eine Weile ausruhen, dann half er mir aus dem Stuhl und schleppte mich nach oben in mein Zimmer.
Ich schlief wie ein Stein und erwachte erst gegen Mittag in einer seltsamen Hochstimmung. Mir war, als wäre eine steinschwere Last von meinem Herzen genommen worden. Ich kleidete mich an und tappte auf wackligen Beinen in Julians Arbeitszimmer. Er saß am Schreibtisch und las einen Brief. Seine Brauen waren finster gerunzelt, und sein Kinn zeigte eine unerbittlich harte Linie. Ich räusperte mich und klopfte sacht an den Türrahmen. Er blickte auf. Ich erschrak vor der fernen Kälte in seinen Augen. Er schien sternenweit fort zu sein.
»Elloran«, sagte er schließlich. »Warum liegst du nicht in deinem Bett?« Seine grimmige Miene glättete sich, aber die Spannung blieb in seinen Zügen und verlieh ihnen etwas Verkniffenes. Ich stotterte eine Entschuldigung und drückte mich wieder aus dem Raum. Seine strenge Stimme hielt mich zurück: »Hast du deine Medizin genommen, Neffe?« Ich verneinte verlegen, und er sah mich mißmutig an. »Dann aber bitte sofort! Falls du Hunger hast: In der Küche ist etwas für dich gerichtet.« Ich nickte und machte, daß ich hinauskam.
In der großen, steingefliesten Küche stand ein zugedecktes Tablett mit liebevoll belegten Broten und kaltem Braten. Ich nahm es mir, und dazu einen Krug Apfelwein und ging damit hinaus in den Garten. Unter dem Fliederbusch, der die ersten zarten Ansätze von Blütenknospen zeigte, verputzte ich mein Essen und schluckte dann wie verordnet mit Todesverachtung und einem tüchtigen Schluck Apfelwein drei von den winzigen Kügelchen. Julian hatte nicht gelogen, sie schmeckten wirklich nach nichts. Ich seufzte satt und voller Behagen und rauchte Glück, bis Julian mich hereinrief.
»Hast du über unser Gespräch nachdenken können?« fragte er ohne Einleitung. Ich wunderte mich über seinen harschen Ton. Er saß hinter dem Schreibtisch, in seinen dunklen Samtmantel eingehüllt, als sei tiefster Winter und sah grüblerisch auf seine langen, weißen Hände hinunter, die ineinander verschränkt auf der Tischplatte lagen. Ich zögerte und sortierte meine Gedanken. Julian wartete nicht auf meine Antwort, sondern fuhr nach einem Augenblick fort: »Wir werden zur Kronenburg reisen, sobald du dich kräftig genug für den Ritt fühlst. Ich habe Nachrichten aus S'aavara, die eine Beschleunigung unserer Tätigkeiten erfordern.« Ich folgte mühsam seinen Worten.
»Du m-meinst ...«, begann ich schwerfällig. Er ließ mich nicht ausreden.
»Wir werden dich tarnen, damit du nicht schon der ersten Patrouille in die Hände fällst. In die Burg hinein gelangst du mit meiner Hilfe. Was das weitere Vorgehen betrifft ...« Er sah mich scharf an. Seine grünen Augen strahlten in einem unirdischen Feuer. Ich starrte gebannt hinein.
»Vertraust du mir?« fragte er. Ich nickte heftig. »Würdest du tun, was ich von dir verlange, ohne Fragen zu stellen?« Er hob seine knochige Hand und gebot mir Schweigen. »Ich will jetzt keine Antwort von dir, Elloran. Ich werde dir diese Frage später noch einmal stellen. Du sollst nur wissen, daß alles, was ich unternehme, zu unser beider Wohl ist, auch wenn dir manches vielleicht unverständlich erscheinen mag. Ich brauche dein Vertrauen in dieser Angelegenheit, sonst werden wir kläglich scheitern!«
Die Dringlichkeit seiner Worte ging mir durch und durch. Wenn mein Kopf doch nur etwas klarer gewesen wäre! Beunruhigt leckte ich mir über die Lippen und flüsterte: »W-was immer du tust, Julian, ich folge dir. Wem sonst s-sollte ich vertrauen?«
Sein Blick erwärmte sich, und er lächelte ein schmales Lächeln. »Das ehrt mich, Neffe. Ich danke dir dafür. Jetzt sei so gut und werde schnell gesund, die Zeit drängt.«
Ich bemühte mich, so weit das in meiner Hand lag, zu tun, was er verlangt hatte. Seine Behandlung zeigte
Weitere Kostenlose Bücher