Ellorans Traum
unsere Verantwortung! Wir schulden es den Kronstaaten. Wir dürfen uns nicht davor scheuen, deshalb Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Oder willst du etwa mit schuld daran sein, daß die S'aavara deine Heimat versklaven?«
Ich verneinte unsicher. Er kam zu mir und legte mir seine Hand auf die Schulter. »Grübele jetzt nicht darüber nach, Elloran, du bist noch zu geschwächt. Warte, bis ich das Gift aus deinem Körper entfernt habe, dann reden wir weiter. Laß mich jetzt alleine, ich muß noch einiges dafür vorbereiten. Die Prozedur ist nicht ganz ungefährlich, auch für mich nicht, aber du wirst dich danach sehr viel besser fühlen. Ich rufe dich, wenn ich soweit bin.«
Trotz Julians mitfühlendem Rat, nicht nachzugrübeln, saß ich noch lange da und starrte ins Kaminfeuer. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen; zu ungeheuerlich war die Vorstellung, daß meine Großeltern kaltblütig meinen Tod geplant haben sollten. Ich rief mir meine Zeit auf der Kronenburg in Erinnerung, und wie liebevoll sich Karas damals meiner angenommen hatte. Doch meine Gedanken waren verschwommen und unklar, und immer wieder schoben sich andere Bilder davor: Karas, der mich kalt und erbarmungslos in Arrest schickte, und Veeloras vor Haß und Abscheu bebende Stimme, als sie ausrief: »Ich verfluche den Tag, an dem deine Mutter dich in die Welt gesetzt hat!«
Meine Schläfen pochten, und meine Hände zitterten wie im Fieber. Ich zündete mir hastig ein Stäbchen an. Inzwischen kam ich keine einzige Stunde mehr ohne das Rauschgift aus, es bescherte mir eine ständige sanfte Benommenheit, die nicht unangenehm war, nur etwas hinderlich, wenn ich wie jetzt eine Schwierigkeit genauer durchdenken wollte. Vielleicht würde ich nach Julians Behandlung wieder bei klarerem Verstand sein. Ich rauchte und starrte blicklos und mit leerem Kopf in das Feuer.
Leise Schritte näherten sich, und ein Stuhl kratzte über den Boden. Träge drehte ich den Kopf und sah Julian, der sich nun neben mir auf den Stuhl fallen ließ. Er sah erschreckend aus, noch bleicher als sonst, mit tief in ihre Höhlen gesunkenen, umschatteten Augen und erschöpften Kerben um den Mund.
»Laß mich einen Augenblick ausruhen, dann können wir anfangen«, murmelte er.
»W-wollen wir nicht lieber bis morgen warten? Du s-siehst aus, als würdest du gleich aus d-den Schuhen kippen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Nein, das ist leider unmöglich. Es sind einige flüchtige Substanzen im Spiel, die ich sofort verwenden muß. Morgen müßte ich mit den Vorbereitungen von vorne beginnen.«
Ich reichte ihm einen Becher Würzwein, den er dankbar annahm und mit langsamen, kleinen Schlucken austrank. Er schloß die Augen und bewegte seine dünnen Finger in einer fremden, verworrenen Beschwörung. Sein Gesicht bekam wieder Farbe, und er sah ein wenig erholter aus. Eine halbe Stunde saßen wir so in Gedanken versunken nebeneinander. Dann streckte er sich, gähnte herzhaft und murmelte: »Auf, ans Werk, mein Freund. Ich möchte es hinter mich bringen.«
Mit klopfendem Herzen folgte ich ihm in den düsteren Gewölbekeller unter dem Haus. Diesen Teil des Gebäudes hatte ich bisher erst einmal zu einem kurzen Besuch betreten. Julian verwahrte hier etliche nicht ganz ungefährliche Stoffe, die er für einige der schwierigeren magischen Beschwörungen verwendete. Für Experimente mit diesen Ingredienzen suchte er, seit ihm einmal ein schlecht abgeschirmter Feuerwurm fast das gesamte Arbeitszimmer verwüstet hatte, lieber den Keller auf.
Ich sah ihm fröstelnd zu, wie er einige Öllampen entzündete und mir einen Stuhl hinschob. Auf dem riesigen Holztisch, der von unzähligen Versuchen versengt, verkratzt und verätzt mitten im Raum stand, türmten sich geheimnisvolle Gerätschaften, deren Zweck ich nicht einmal erahnen konnte; vielerlei Gefäße mit seltsamen, exotischen Substanzen standen überall herum und Haufen von Schriftstücken und Büchern in allen möglichen Sprachen bedeckten jede noch freie Fläche des großen Gewölbes.
Beklommen setzte ich mich auf die Stuhlkante und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Bedauerlicherweise hatte ich meine Rauchstäbchen neben dem Kamin liegen lassen, ein oder zwei davon hätten mich jetzt sicher beruhigt. Julian fuhrwerkte mit einem Brenner auf dem Tisch herum, fluchte unterdrückt und blies sich auf die verbrannten Finger. Eine widerlich aussehende grauviolette Flüssigkeit in einem seltsam geformten Glasgefäß begann leise vor
Weitere Kostenlose Bücher