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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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selben Augenblick hatte schon ein anderer Angreifer zu seiner Waffe gegriffen und zugestoßen. Julian riß seine blutüberströmte Hand vom Tisch los und tastete hilflos nach dem Dolch, der bis zum Heft in seinem Rücken steckte. Ich sah noch seinen brechenden Blick und den blutigen Schaum auf seinen Lippen, als er über dem Tisch zusammenbrach, bevor eine kräftige Hand mich beim Kragen packte und zur Hintertür hinausschleuderte. Ich sträubte mich gegen Ermans brutalen Griff, aber er trieb mich unbarmherzig vor sich her über den regennassen Hof.
    »Nun beweg dich schon«, fluchte er, »oder legst du Wert auf ein paar Zentimeter Stahl zwischen den Rippen?« Er blieb stehen und sah sich um. Filip hatte hinter uns die Tür verrammelt und rollte ein schweres Faß davor. Aus dem Hinterzimmer drang lautes Geschrei.
    »Ihr Götter, w-was ist mit Julian!« jammerte ich entsetzt.
    »Halt den Mund«, zischte Erman. Er hatte sich hoch aufgerichtet und hob die Hände. Filip nahm die Beine in die Hand und rannte auf uns zu. Erman zischte gebieterisch einige zungenbrechende Silben. Ich sah hinter der schmutzstarrenden Fensterscheibe einen weißblauen Lichtblitz aufzucken. Ein ohrenbetäubender Knall dröhnte aus dem Hinterzimmer, Stimmen kreischten in höchster Todesangst und verstummten plötzlich.
    »Weg hier!« herrschte Erman. Filip rannte schon wie ein Hase durch die Pfützen. Ich stand wie versteinert und starrte geblendet auf den seltsam blau und grün gefärbten Feuerschein, der aus dem Gebäude drang.
    »Aber Julian ...« Er packte mich und zerrte mich mit sich.
    »Kein Streit«, keuchte er. »Gleich haben wir die gesamte Stadtgarde auf dem Hals.« Wir bogen um ein paar Ecken und hetzten durch das verwinkelte Gebiet zwischen dem Hafen und dem ältesten Teil Havens. Filip war nirgends mehr zu sehen.
    Einige Minuten später hielten wir an und lauschten. Keine Stimmen, keine Rufe, keine Laufgeräusche, die auf Verfolger deuteten. Erman wischte sich keuchend mit dem Ärmel über das Gesicht und beugte sich vor, um wieder zu Atem zu kommen. Ich ging in die Hocke und legte mein Gesicht in die Hände. Das Nachbild des magischen Blitzschlags zitterte noch immer vor meinen Augen. Ich wagte nicht, mir auszumalen, was mit den Menschen in diesem Raum geschehen war. Und Julian – ich schluchzte heftig auf.
    »Fehlt dir etwas, Ell?« fragte Julian. Ich hob mit einem Schrei meinen Kopf und starrte ihn fassungslos an. Er stand da, wo eben noch Erman um Luft gerungen hatte, und lächelte spöttisch.
    »Julian?« Ich rappelte mich auf und faßte mit aller Vorsicht nach seinem Arm, fast sicher, ich würde durch ihn hindurchgreifen. Aber meine Hand landete sicher auf dem feuchten dunklen Stoff seines Ärmels, und darunter befanden sich unzweifelhaft warmes Fleisch und ein klopfender Puls. Wie konnte Julian nur vor mir stehen? Ich fand keine Erklärung dafür. Er hatte am Tisch gesessen und war vor meinen Augen getötet worden, und Erman, der die ganze Zeit über neben mir gestanden hatte, war mit mir auf den Hof geflüchtet. Dann hatte der magische Blitz das Hinterzimmer getroffen und sicherlich alle vernichtet, die sich in ihm aufgehalten hatten. Wie also hatte Julian sich retten können, und wo war sein Hauptmann geblieben?
    »Wenn du mich genug angestarrt hast, gehen wir ganz gemütlich nach Hause, zwei unbescholtene Bürger, die einen kleinen Abendspaziergang gemacht haben«, unterbrach Julian meine fruchtlose Grübelei. Ich stand schreckensstarr da. Er griff beruhigend nach meiner Schulter. »Zieh nicht so ein Gesicht, Ell. Ich bin nicht tot – was man von dem armen Erman und einigen anderen nicht behaupten kann. Ich erkläre dir alles, wenn wir zu Hause sind, einverstanden?«
    Unser schweigender Weg durch die dunklen Gassen von Sturmhaven schmeckte nach meinen Alpträumen. Ich sah immer wieder unsicher zu dem Magier hin, der mit zusammengepreßten Lippen neben mir herschritt, den Mantel eng um seine schlanke Figur geschlungen. Halb und halb war ich darauf gefaßt, daß er sich entweder jeden Augenblick in Luft auflösen oder in irgend etwas unsagbar Grauenhaftes verwandeln würde. Wenn sich jetzt vor uns der Boden aufgetan und Dämonen uns in die WeltUnten gezogen hätten, hätte es mich nicht weiter verwundert.
    Statt dessen gelangten wir unbehelligt nach Hause. Julian entzündete mit einer beiläufigen Bewegung das Feuer im Kamin des vorderen Zimmers und verschwand mit dem gemurmelten Hinweis, er sei gleich wieder da, in

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