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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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keinen Finger rührte, um sie zu retten, obwohl ich nur zu gut wußte, was mit ihr geschehen würde. Ich sah mich nicht eine Träne um meine getöteten Freunde aus dem Blauen Viertel vergießen. Ich sah, wie ich Cesco bestialisch mordete und Nikal an seine Feinde auslieferte. Ich sah Karas und Veelora von meiner eigenen Hand sterben.
    »Bitte, laß mich gehen!« flehte ich, aber sie gab nicht nach.
    »Du bist mir noch eine Antwort schuldig«, forderte sie hart. »Antworte, Elloran!« Ich wimmerte. Ihr Gesicht wurde weicher, und ihre Augen waren voller Liebe.
    »Karas und Veelora leben«, flüsterte sie fast unhörbar. »Leonie hat dir ihre Trugbilder geschickt.«
    Meine Knie gaben vor Erleichterung nach. Julian packte mich eisenhart bei der Schulter und keuchte: »Sie lügt, Elloran. Glaube ihr nicht; sie will dich nur einlullen, damit sie dich leichter beseitigen kann! Sie ist Leonies Geschöpf, sie wird dich vernichten!«
    »Hör nicht auf ihn«, unterbrach ihn die ruhige Stimme meiner Traumschwester. »Er ist es, der dich belügt. Glaubst du wirklich, er hätte dich geheilt, Bruder? Dazu ist er überhaupt nicht in der Lage. Du stirbst, du stirbst noch immer!«
    Ich stand wie versteinert. »Wer hat mich vergiftet?« fragte ich stockend und las die Antwort aus ihren kummervollen Augen.
    »Sie lügt!« kreischte Julian. »Hör nicht auf sie, Neffe! Töte sie, solange du dazu noch in der Lage bist. Erinnere dich, wem du vertrauen kannst!«
    Zögernd hob ich den Dolch gegen sie. Seine Spitze zitterte. Meine Schwester sah mich furchtlos an und wich keinen Zentimeter zurück. Rund um uns erbebten die Konturen des Rosengartens und wichen eckigen, harten Linien. Hohe schwarze Säulen erschienen, und unter meinen Füßen fühlte ich kalten Marmor. Julian schrie gellend auf.
    Ich spürte, ohne den Blick von meiner Schwester zu wenden, wie rund um uns vertraute Gestalten auftauchten. Es war, als sollten die Menschen, die mein Leben begleitet hatten, nun auch das Ende sehen. Ich griff den Dolch fester und blickte in ihre tiefen, dunklen Augen.
    »Die Antwort, Elloran?« drängte sie sanft. »Weißt du die Antwort?« Ich lächelte mit tauben Lippen. Die Antwort auf ihre Frage erschien flammend vor meinen Augen. Ich spürte, wie eine weiche, dunkle Ruhe mich überkam.
    »Ja«, flüsterte ich, während ich den Dolch drehte, » es gibt mich nicht! « 
    Ein kurzes, letztes Zögern – und ich stieß ihn tief in meine Brust. Ich keuchte. Niemand hatte mich auf den ungeheuren, verzehrenden Schmerz vorbereitet, mit dem der Stahl in mein Fleisch drang, Haut und Muskeln wie mit Feuerzungen durchtrennte, glühend an einer Rippe vorbeischrammte – Göttin, dieser Schmerz!
    Meine schwächer werdenden Hände glitten, glitschig von meinem eigenen Blut, vom Heft des Dolches ab. »Hilf mir«, flehte ich tonlos. Ihre ruhigen Finger umschlossen meine Hände und halfen mir, den Stahl weiter in das gemarterte Fleisch zu treiben, bis seine grausame Spitze mein angstvoll gegen die Rippen schlagendes Herz berührte und mit einer letzten Anstrengung unserer Hände tief hineindrang. Die Beine versagten mir den Dienst. Sie fing mich auf, ließ mich sanft zu Boden gleiten und bettete meinen Kopf in ihren Schoß. Ihre kühlen Hände strichen über mein schweißverklebtes Haar, und ihre Tränen fielen wie sanfter Regen auf mein emporgewandtes Gesicht.
    Ich suchte ihren Blick durch die Schleier, die sich über meine Augen senkten. Wie in weiter Ferne hörte ich Schreie und Rufen, aber es berührte mich nicht mehr. Alles, was gut und wichtig war, konzentrierte sich in der Tiefe dieser nachtblauen Augen. Sie beugte sich über mich und küßte mich auf meine blutigen Lippen.
    »Schlafe, Elloran«, flüsterte sie. »Es ist vorbei. Schlafe nun endlich, mein liebster Bruder.« Die Umrisse des Thronsaales verschwammen, die hohen Säulen versanken um mich, und ich lag sterbend alleine auf der endlosen grauen Ebene des Spieles. Unter mir glühte unheilvoll rot die Herzlinie, getränkt und gefärbt von meinem Blut.
    »Das Spiel ist vorüber« , sagte die Spielerin. Erst jetzt, im Augenblick meines Todes, erkannte ich ihre Stimme. »Deine Figur ist geschlagen, du bist besiegt.«
    »Nein!« antwortete Julians haßerfüllte Stimme. »Du irrst dich! Unser Spiel geht weiter. Ich fordere den Zweikampf!«
    Ein Rabe krächzte voller Hohn, und als letztes Geräusch in diesem Leben hörte ich das leise Seufzen der Obersten Maga. Mein Herz hörte auf zu schlagen, Nebel

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