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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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flüsterte: »Schlaf wohl, Elloran. Du wirst sehen, morgen schon ist alles nur noch halb so schwer.«
    Sie behielt mit ihrer Vorhersage recht. Es war, als wüchse ich mit jedem neuen Tag enger mit meinem anderen Teil zusammen. Obwohl ich immer noch Augenblicke der Bedrückung und Trauer empfand, waren diese doch nie mehr so heftig und zerstörerisch wie an diesem ersten Tag meines zweiten Lebens.
    In den ersten Tagen verließ ich mein Quartier nicht, aber ich wußte, daß ununterbrochen eine Wache zu meinem Schutz vor der Tür stand. Es war fast wie zu Zeiten meines Arrestes und doch völlig anders. Jemaina war beinahe ständig um mich, um meine Fragen zu beantworten, und Leonie und meine Großeltern besuchten mich regelmäßig, um dasselbe zu tun. Das Puzzle meines Lebens setzte sich nach und nach zusammen. Einzig zwei ungeklärte Dinge bedrückten mich noch und schufen mir schwermütige Inseln in meinen sonniger werdenden Tagen.
    Ich dachte häufig über den Botschafter der Allianz und seine so merkwürdigen, nicht völlig menschlichen Begleiter nach. Wenn ich meine Augen schloß, sah ich wieder die schrecklichen Tentakel sich aus den Armen der großen jungen Frau ringeln – und Akim, der erbarmungslos die grausame Nadel in den Nacken seines wehrlosen Opfers stieß. Dann wieder sah ich Galen, wie er Nikal auf eine Art vernichtete, die böseste Zauberei sein mußte, und ich hörte den gräßlich erstickten Schrei, mit dem mein alter Freund sein Leben aushauchte. Noch immer konnte ich Toms lange, tödliche Krallen spüren, wie sie sich durch den Stoff meiner Kleidung in meine Haut bohrten.
    Aber auf der anderen Seite erlebte ich während meiner Einverleibung der alten, neuen Erinnerungen auch unsere beiden gemeinsamen Reisen wieder: ich sah Toms Blick voller Zuneigung auf mich gerichtet, ich hörte seine Stimme sagen, daß er mich liebte – und ich glaubte es ihm, wie ich seiner Versicherung geglaubt hatte, daß sie Nikal keinen Schaden zufügen wollten.
    Es drängte mich, eine Erklärung für sein Verhalten zu hören. Aber als ich Veelora bat, ihn zu mir zu bringen, ergriff sie voller Bedauern meine Hand und streichelte sie tröstend. Der Botschafter war am Tag zuvor mit all seinen Leuten abgereist, um ein letztes Mal mit dem maior T'jana wegen eines dauernden Friedens zu verhandeln. Die Allianz lege großen Wert auf gefestigte, klare Verhältnisse, bedeutete mir Veelora, und der unsichere Frieden zwischen S'aavara und der Krone bedrohe ernstlich unser Bündnis mit der Allianz. Galen sei fest entschlossen, diesen Frieden zu bekommen, und er habe seine Leute wohl mit sich genommen, um so seinen Forderungen etwas mehr Druck verleihen zu können, erklärte Veelora belustigt.
    »Und wenn er v-versagt?« fragte ich beunruhigt.
    Veelora lachte laut auf. »So, wie ich den Botschafter vor seiner Abreise erlebt habe, legt er eher den Palast des maior und seine gesamte Hauptstadt in Schutt und Asche, als unverrichteter Dinge wieder abzureisen. Ich hätte nicht geglaubt, daß dieser listige Fuchs einmal so etwas wie Temperament zeigen würde, aber jetzt bin ich recht froh, daß er es für gewöhnlich unterläßt. Das ist kein Mensch, das ist ein feuerspeiender Berg!«
    Karas, der bei Veeloras letzten Worten eingetreten war, prustete vergnügt. »Wahrhaftig, Liebste, das war ein Schauspiel, das es wert gewesen wäre, vor einem größeren Publikum gezeigt zu werden!« Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und tupfte sich schwer atmend den Schweiß von der Stirn. Besorgt sah ich, wie unsicher seine Hände dabei waren. Veelora nahm ihm sanft das Tuch aus der Hand und trocknete ihm die Stirn. Er dankte es ihr mit einem liebevollen Blick und fuhr, nachdem er wieder bei Atem war, fort: »Er hat sich hinterher richtiggehend dafür entschuldigt, Vee, das hast du nicht mehr mitbekommen. Sein Captain hat ihn nur wütend angestarrt, und er hat sich umgedreht und war wieder ganz förmlich und kalt, wie er immer ist. Es hat mich richtig durchgeschüttelt, ich dachte, wir hätten ein Erdbeben oder so etwas ähnliches. Göttin, wenn das sein eigentliches Temperament ist, sollten wir denen dankbar sein, die ihn Selbstbeherrschung gelehrt haben.« Die beiden hatten mich vollständig vergessen, sie saßen da, hielten sich bei den Händen und lachten sich an. Ich verdaute diese Neuigkeit schweigend und fügte sie meinem Fragenkatalog hinzu.
    Das andere, was mich belastete, war die Tatsache, daß Jenka mich mied. Ich wußte, daß sie öfter als

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