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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Ihre Hände fuhren an ihr Gesicht, sie krallte die Finger in ihre Augen und begann tonlos zu schreien. Durch ihre dunklen Hände leuchtete ein bläulicher Schein, wurde immer stärker und heller. Ich konnte die Knochen in ihren Händen erscheinen sehen, als wäre ihr Fleisch durchscheinend geworden. Ihre Arme fielen kraftlos herab, und Flammen aus gleißendem, blauweißem Licht schossen aus ihren Augen. Sie öffnete den Mund, und das gleiche Licht drang aus ihrem Hals und nahm ihren Schrei mit sich. Gedankenlos wollte ich zu ihr hinstürzen, aber Jemaina hielt mich zurück. Ihr Gesicht war streng und verschlossen.
    Julian betrachtete ungerührt seine von innen verglühende Lehrerin und lächelte sanft. Leonie brach lautlos zusammen wie eine Puppe, deren Fäden durchgeschnitten wurden. Sie lag mit weit offenen Augen, die in geschmolzenes Metall verwandelt zu sein schienen, und mit ausgebreiteten Gliedern auf dem Boden der Plattform.
    Julian nahm einen tiefen Atemzug und wandte sich zu mir. Ich sah ihm versteinert entgegen, wie er sich mir geschmeidig näherte und mein Gesicht in seine Hände nahm. Neben mir machte Jemaina keine Anstalten, ihn daran zu hindern. »Du bist nun mein, Geliebte«, hauchte er und drückte seine Lippen auf meinen Mund. Sein Kuß war zugleich kalt und von schmelzender Süße. Ich wollte mich von ihm befreien, aber all mein Widerstand schmolz mit diesem Kuß dahin. Ich sank ihm entgegen und umarmte ihn leidenschaftlich. Er war es, der sich schließlich von mir löste.
    Mit einem triumphierenden Lächeln streichelte er über mein Gesicht und flüsterte: »Warte nur noch einen Augenblick, meine ungeduldige Liebste. Ich muß noch etwas holen, das mir gehört.«
    Von unsäglichem Abscheu und Ekel geschüttelt, und doch magisch von ihm angezogen, sah ich ihm nach, wie er sich der reglos daliegenden Gestalt näherte und neben ihr niederkniete.
    »Jetzt erst ist es wirklich vorbei«, erklärte er ruhig. »Jetzt ist unser Spiel beendet. Ich habe gewonnen, alte Frau, und ich nehme mir mein Eigentum.« Er schob das Gewand hoch, das ihren linken Arm bedeckte, und ich begriff, daß er ihr den Silberreif abnehmen wollte, der das Zeichen der Obersten Maga war. Ich konnte nicht erkennen, was er machte, aber ich sah, wie er erstarrte und einen zutiefst erstaunten Ausruf tat.
    Jemaina seufzte neben mir und trat einen Schritt vor. »Du suchst das?« fragte sie und hob ihren Arm. Der dunkle, weite Ärmel ihres Hemdes fiel zurück, und ein breiter Reif an ihrem Handgelenk blitzte auf.
    Julian fuhr herum und blickte mit der gleichen Verständnislosigkeit wie ich auf den Armreif. »Wieso hast du ihn?« fauchte er und trat einen Schritt auf sie zu. »Gib ihn her, Frau, er ist nach allen Regeln unserer Zunft mein!«
    »O nein«, erwiderte sie heiter. »Du hattest deinen Kampf mit Leonie, alter Freund, aber hierum mußt du mit der Obersten Maga kämpfen!«
    Er keuchte auf, als er begriff. »Du! Du olyssisches Hexenweib maßt dir an ...« Sie hob gebieterisch die Hand, und er verstummte mit hervorquellenden Augen.
    »Schweig«, rief sie scharf. »Du vergißt dich! Ich bin dein rechtmäßiges Oberhaupt und verlange deinen Respekt. Wenn du diesen Reif willst, dann mußt du zuerst mit mir darum kämpfen!«
    Er stemmte die Arme in die Seiten, legte den Kopf in den Nacken und schrie vor Lachen. »Du glaubst, mir auch nur eine Minute widerstehen zu können?« Er wies mit einer abfälligen Bewegung auf Leonie. »Sieh, was ich aus ihr gemacht habe, die tausendmal stärker war als du. Und nun fordere ich dich, du lächerliches Kräuterweib!«
    Er hob die Hände und deutete auf Jemaina. Sie stand unerschütterlich lächelnd da. Ein blauer Blitz prallte an ihr ab und floß in den Boden. Julian lachte siegesgewiß und böse und sandte den nächsten Blitz und den übernächsten. Schneller und schneller zuckten die Blitze auf und zerstoben wirkungslos an der stämmigen kleinen Frau. Inmitten des leuchtenden Gewitters bemerkte ich, wie die am Boden liegende Gestalt hinter Julian sich zu bewegen schien, sie zerfloß, wurde kleiner und verschwand.
    Jemaina griff nach meiner Hand und keuchte: »Laß ihn auf keinen Fall aus den Augen, Elloran!« Ich spürte, wie ein Strom der Kraft zwischen uns ins fließen kam. Etwas flatterte durch die tosenden Blitze und stieß auf Julians Kopf nieder. Er kreischte auf und hob schützend die Hände. Die Blitze versiegten, und ich erkannte eine kleine schwarzweiße Rabin, wie sie wieder und wieder auf

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