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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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daß Omelli und seine Leute meine Welt nun etwas genauer in Augenschein nahmen. Omelli hatte schließlich entschieden, Galen als offiziellen Botschafter der Allianz zu den beiden größten Mächten zu schicken. Ich war erstaunt, daß ein einzelner Mensch eine Entscheidung treffen konnte, die eine ganze Welt betraf. Ich fragte Karas, ob er diesen Omelli jemals persönlich kennengelernt habe, doch mein Großvater verneinte bedauernd. Alle Verhandlungen und Gespräche hatten ausschließlich mit Galen stattgefunden.
    »Er und mein Vater sind verheiratet«, sprach ich gedankenlos vor mich hin. Karas verschluckte sich an seinem Tee, und ich mußte ihm eine Weile lang kräftig auf den Rücken schlagen, ehe er zu husten aufhörte.
    »Armes Kind«, lachte er schließlich atemlos. »Ausgerechnet der Botschafter – da du ihn doch so sehr verabscheust!«
    Ich wurde rot. »Zieh mich nicht auf, Großvater«, bat ich beschämt. »Ich weiß, wie d-dumm ich mich verhalten habe, aber ich bin durchaus in der Lage, einen Fehler einzugestehen.« Er gab mir einen zufriedenen Kuß auf die Wange und schickte mich fort, weil er müde war. Ich suchte ein wenig nach Jenka und begab mich dann, weil ich meine Freundin nirgends finden konnte, zu Leonie.
    Die alte Magierin saß auf dem Altan und blickte gezielt in die Sonne. Magramanir, die keinen Schritt von ihrer Seite wich, wenn Leonie wach war, hüpfte über den Boden und schien wie eine Katze hinter irgendwelchem Getier herzujagen. Als ich an Jemainas Seite auf den Altan trat, flatterte die Rabin hoch und setzte sich auf Leonies Hand. Die Magierin lächelte uns entgegen. Jemaina lehnte sich gegen die Brüstung und stopfte ihre Pfeife. Ich hockte mich Leonie zu Füßen und sah sie voller Zuneigung an. Sie strich mir sacht über das Haar und fragte: »Geht es dir gut, Kind?« Ich überlegte kurz und bejahte ihre Frage. Es ging mir gut, wenn ich auch mit etwas Unbehagen in meine Zukunft sah. Ich fühlte mich der auf mich wartenden Aufgaben bei weitem noch nicht gewachsen, aber angesichts des sich verschlechternden Zustandes meines Großvaters mußte ich damit rechnen, erheblich früher, als mir lieb war, in mein neues Amt eingeführt zu werden – wahrscheinlich schon im nächsten Frühjahr.
    Leonie schien wieder einmal meine Gedanken zu lesen. »Hab keine Angst, Elloran«, sagte sie. »Du bist niemals allein, vergiß das nicht. Außerdem – wer weiß ...« Sie schwieg, und ich sah verwundert in ihr stilles Gesicht. Sie hatte sich seit der Nacht des Zweikampfes verändert. Ihre Sicht schien sich mit dem Verlust ihres Augenlichtes auf andere, unsichtbare Sphären verlagert zu haben. Sie wirkte äußerlich zerbrechlicher als früher, aber dennoch strahlte sie eine seltsame Kraft aus, die mich noch weit mehr beeindruckte als ihre alte, oft beängstigende und spöttische Art.
    Jemaina fragte: »Ist alles in Ordnung, Leonie?« Die alte Magierin antwortete nicht. Ihre Hand legte sich sacht auf mein emporgewandtes Gesicht. Es war fast wie die geistige Berührung durch Galen; nur, daß jetzt wortlose Bilder durch mein Bewußtsein fluteten. Ich fühlte ihren Schmerz darüber, daß ihr Volk langsam starb, daß ihm kaum noch Kinder geboren wurden und die weniger und weniger werdenden Erwachsenen sich in alle Winde zerstreuten, weil sie die Gegenwart anderer immer schlechter ertragen konnten. Einige der Jüngeren, die noch die Gesellschaft suchten, taten sich mit menschlichen Partnern zusammen und vermischten so ihr Blut mit dem der kurzlebigen Neuankömmlinge. Die meisten der alten Zauberer, Leonies Gefährten, verschwanden nacheinander spurlos in der menschenleeren Wildnis unserer Welt, und niemand, nicht einmal Leonie, wußte, wie viele von ihnen überhaupt noch lebten. Die Stadt der Zauberer war zu einer Geisterstadt geworden.
    Ich fühlte Tränen über mein Gesicht laufen. Leonies Finger trockneten meine nassen Wangen und lösten die Berührung. Ich blinzelte und bemerkte erst jetzt, daß ich an Jemainas Schulter lehnte. Meine untergeschlagenen Beine kribbelten schmerzhaft. Die Sonne stand inzwischen tief am Horizont, und erste Sterne funkelten am dämmrigen Himmel. Ich mußte Stunden hier neben Leonie verbracht haben, ohne daß ich mir dessen bewußt gewesen war. Als ich in meinen Geist hineinblickte, hatte ich die Geschichte eines ganzen Volkes vor meinem inneren Auge: Leonies Auftrag an die künftige Herrscherin der Kronstaaten. Mir war schwindelig. Jemaina half mir auf die Beine und führte mich

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