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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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wollte dich fragen, ob du für ein paar Tage mit mir kommst. Omelli möchte dich endlich persönlich kennenlernen«, entgegnete er. Mir verschlug es den Atem.
    »Ich m-müßte meine Großeltern um Erlaubnis bitten«, stammelte ich endlich aufgeregt. »Falls sie mich jetzt weglassen – aber das tun sie bestimmt, Karas geht es zur Zeit ohnehin n-nicht gut, er kann sich sicher in den nächsten Tagen nicht mit mir b-beschäftigen ... Wohin g-gehen wir denn, wo hält sich Omelli auf?«
    Nikal lächelte verhalten und drückte mich auf die Bank. Dann begann er, die verstreuten Papiere einzusammeln und mir in den Schoß zu legen. »Jetzt hol erst mal tief Luft und beruhige dich. Wir gehen gleich zu deinen Großeltern und bitten sie um einige Tage Urlaub, Prinzessin. Mir scheint, du hast ihn wirklich nötig.«
    Ich sortierte mit fliegenden Fingern die Akten. Nikal hockte sich auf seine Fersen und sah mir mit undeutbarer Miene zu. »Freust du dich auf deine neue Aufgabe?«
    Das hatte mich noch niemand gefragt, und ich wußte keine Entgegnung darauf. Nikal sah mich unverwandt an. Seine hellen Augen durchforschten mein Gesicht nach einer Antwort.
    »Ich weiß nicht, Nik«, begann ich nach einer Weile zögernd. »Es kam alles so überraschend für mich. Ich h-hätte gerne noch etwas mehr Zeit gehabt, mich daran zu gewöhnen und auf das Amt vorzubereiten. Aber Karas ist zu krank, um das noch lange durchstehen zu können. Gerade die Friedensverhandlungen werden noch sehr viel Kraft erfordern; mehr, als er in der Lage ist, zu geben. Außerdem – was für eine Wahl hätte ich?« Er nickte, aber seine Miene wirkte zweifelnd. Er erhob sich aus seiner kauernden Stellung und reichte mir höflich die Hand, um mir aufzuhelfen. Ich klemmte das zerfledderte Aktenbündel unter meinen Arm und geleitete ihn schweigend hinein.
    Veelora hörte sich seine Bitte stirnrunzelnd an und biß sich auf die Lippen. »Das kommt nicht allzu gelegen, Kommandant. Das Kind hat im Augenblick ein riesiges Pensum zu bewältigen, und jeder Tag, den sie dabei verliert, ist nicht mehr aufzuholen. Ich kann das nicht befürworten.«
    Nikal hörte sich ihre Einwände ohne Widerspruch an und verlangte dann freundlich, aber hartnäckig, den Kammerherrn persönlich zu sprechen. Veelora fuhr heftig auf, und ich sah meine Felle schon davonschwimmen, als eine schwache, aber befehlsgewohnte Stimme aus dem Nebenzimmer sie unterbrach. »Vee, meine Liebe, schicke mir die beiden doch bitte herein!«
    Meine Großmutter preßte erbittert die Lippen zusammen und öffnete uns stumm die Tür. »Regt ihn nicht auf!« zischte sie noch, dann traten wir in Karas' Schlafraum. Mein Großvater saß in die Kissen gelehnt in seinem Bett und hatte wie immer einen Wust von Papier um sich ausgebreitet. Ich eilte zu ihm und küßte ihn auf die weiche Wange, und Nikal neigte voller Achtung seinen Kopf.
    Karas winkte uns, uns niederzusetzen und schob die Papiere auf seinem Schoß etwas zusammen. Sein Gesicht war von starken Schmerzen gezeichnet, aber der Blick seiner kurzsichtigen Augen schien so wach und aufmerksam wie früher. Noch ehe Nikal oder ich etwas sagen konnten, räusperte er sich und erklärte, daß Galen ihn schon vor längerem auf Nikals Bitte vorbereitet habe. Selbstverständlich sei es mir gestattet, meinen Vater zu begleiten. Er hielt inne und betrachtete Nikal mit einem scharfen Blick. »Du gibst mir dein Wort, daß du sie mir wiederbringst?«
    Ich sah Nikal von der Seite an und war erstaunt über den Schatten, der über sein Gesicht glitt. Er erwiderte den Blick meines Großvaters mit unerklärlicher Härte. Die beiden schienen ein stummes Duell auszutragen, dessen Grund ich nicht begriff. Aber endlich senkte Nikal den Blick und nickte. Karas entspannte sich und fiel ermattet zurück in die Kissen. Sein Gesicht war grau und schmerzverzerrt, und er bat uns schwach, ihn zu verlassen. Ehe ich seinem Wunsch nachkommen konnte, winkte er mich noch einmal zu sich, ergriff meine Hand und zog mich zu sich herunter. Sein Mund war dicht an meinem Ohr, er flüsterte: »Bitte, Elloran. Ich vertraue ihm nicht völlig, ich brauche auch dein Ehrenwort. Ich bitte dich, komm zurück zu uns, bleibe nicht bei den Fremden!« Ich starrte ihn entgeistert an. Was brachte ihn auf den Gedanken, ich könnte bei ihnen bleiben? Sie würden bald wieder abreisen, und keiner von uns sähe sie jemals wieder – das jedenfalls hatte Nikal behauptet.
    Die Augen des alten Mannes waren flehend auf mich gerichtet.

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