Ellorans Traum
alle so ein Getue um mich machten. Wir waren, ohne uns abzumelden, hinunter in die Kronstadt geritten und hatten den Markt besucht. Müde, staubig, und sehr befriedigt von unserm Ausflug kehrten wir spät des Nachmittags mit unseren Einkäufen beladen zurück zur Burg und wurden von einer sehr aufgeregten Kommandantin der zweiten Wache empfangen, die uns sofort zu Veelora eskortierte. Dort erwartete mich ein Donnerwetter erster Güte, von dem auch meine arme Jenka den einen oder anderen Schauer abbekam. Veelora schickte uns mit einer Eskorte wie ungezogene kleine Mädchen auf unser Zimmer – fast erwartete ich, sie würde uns für diese Woche den Nachtisch streichen – und Jenka war eigenartig still, während wir dorthin begleitet wurden. Als sich dann die Tür hinter uns schloß und wir allein waren, sprach sie immer noch nicht. Ich ließ sie eine Weile in Ruhe, aber dann wurde es mir doch zu viel. Ich nahm sie in den Arm und fragte sie, was los sei.
Sie wandte ihr Gesicht ab und antwortete nicht. Ich legte meine Arme um ihre Hüften und bat sie, mich anzusehen. Sie tat es, aber mit verschlossener, gekränkter Miene.
»Was soll ich sagen, Liebste?« fragte ich hilflos. »Es tut mit leid, daß du Großmutters Standpauke miterdulden mußtest. Es war mein Fehler, ich hätte ihr wirklich sagen müssen, wohin ich gehe. Aber ich w-wollte einmal wieder ohne eine Bewachung sein – du bist schließlich die beste Eskorte, die ich mir wünschen kann. Du wirst sehen, morgen ist alles vergessen. Auf dich ist sie ohnehin nicht böse, Jen.«
Sie sah mich an, und ihre Augen blickten vorwurfsvoll. »Du vertraust mir nicht.«
»Jen, nein! Wie kommst du darauf? Du bist meine liebste Freundin, meine engste Vertraute. Wie kannst du so etwas sagen?« Sie wand sich aus meinen Armen und trat zum Fenster. Ich stand da, mit hilflos herabhängenden Händen und wußte nicht, wie mir geschah.
»Warum machen sie alle so einen Aufstand, wenn du einmal alleine irgendwohin gehen willst? Warum brauchst du überhaupt eine Eskorte? Warum hat Julian versucht, dich zu töten?« Ihre Fragen kamen scharf und böse. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Zwar hatte ich versprochen, Stillschweigen über mein und meines Großvaters Geheimnis zu bewahren, aber galt das auch für die Frau, die mein Leben teilte?
Ich eilte zu ihr ans Fenster und umarmte sie. Ihr Körper versteifte sich in meinen Armen, doch sie wehrte mich nicht wieder ab. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und blickte mit ihr zum Fenster hinaus. Ich konnte ihr Profil sehen und die unbeugsamen Linien darin. »Jen, ich bin die Erbin der Krone«, flüsterte ich in ihr Ohr. »Ich werde im Frühjahr gekrönt – und ich möchte dich bitten, meine Hand zu sein. W-würdest du das für mich tun?« Sie tat einen langen, bebenden Atemzug und drehte sich zu mir um. Ihre Augen forschten in meinem Gesicht.
»Hättest du mir das nicht ein bißchen schonender beibringen können?« fragte sie schließlich mit leicht zittriger Stimme. In ihren Augen standen Tränen. Ich bedeckte ihr Gesicht mit Küssen – und schließlich mußten wir beide lachen.
»Irgend so etwas habe ich ja geahnt«, sagte sie sehr viel später, als wir zufrieden nebeneinander auf dem Bett lagen und die süßen Trauben aßen, die wir auf dem Markt erstanden hatten. »Diese ganze Geheimnistuerei. Sogar meine Tante hat sich geweigert, mir zu sagen, was hier vor sich geht. Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet, daß du mich in dein Vertrauen ziehst ...« Schuldbewußt hob ich ihre Finger an meine Lippen und küßte sie um Vergebung heischend. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie diese ganze seltsame Geschichte auf Jenka wirken mochte. Sie war so loyal und geduldig gewesen, voller Vertrauen abzuwarten, bis ich ihr eine Erklärung für alles bieten würde.
Ich schloß die Augen und dachte an die Versöhnung zurück, die unserer ersten ernsthaften Mißstimmung gefolgt war. Die Sonne schien auf meine Lider, und ich döste ein wenig ein. Schritte und eine Stimme weckten mich auf. »Hallo, Ell? Bist du dort drinnen?«
»Ja, Nik, ich b-bin hier«, rief ich und sprang auf. Die Papiere schneiten rund um mich zu Boden. Nikal hatte sich drei ganze Wochen nicht bei mir gemeldet, und ich hatte ein ganzes Gebirge an neuen Fragen an ihn. Er bog um die Ecke und war mit zwei Schritten bei mir, um mich fest zu umarmen.
»Wie geht es Galen?« Er nickte beruhigend und sah mich sehr seltsam an. »W-was ist?« fragte ich nervös.
»Ich
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