Ellorans Traum
nicht ohne Hintergedanken gewährte. Nun gut.« Er griff nach seinem Stock und stemmte sich auf die Füße. Ich stand vor ihm und schämte mich zutiefst meines eigennützigen Wunsches.
Die Krone blickte mich würdevoll und fremd an und richtete sich zum allerersten Mal zeremoniell mit all der Hoheit und Wucht ihres Amtes an mich: »Gehe nun weiter auf deinem Weg, Erbin der Krone. Wir wünschen dir, daß du deine Entscheidung nie wirst bereuen müssen. Geh mit Unserem Segen, Elloran. Und wenn die Göttin es will, kehre zu Uns zurück, um deine Pflicht zu tun!« Ich sank erschüttert auf mein Knie und neigte den Kopf. Seine Hand berührte kurz meinen Kopf, dann hörte ich, wie sein unregelmäßiger Schritt sich entfernte und die Tür zum Nebenraum sich schloß. Ich kniete auf dem weichen Teppich und weinte bittere Tränen.
Das Gespräch mit Veelora, vor dem ich mich fast noch mehr gefürchtet hatte, verlief erstaunlich undramatisch. Sie sah in mein Gesicht, als ich eintrat und wußte Bescheid. Sie zog mich in eine stumme Umarmung und wiegte mich sacht hin und her. Ich stammelte, daß ich wiederkommen würde. Sie nickte ernüchtert, und ich sah, daß sie mir nicht glaubte.
»Werde glücklich, meine Kleine«, flüsterte sie. »Ich wollte, ich könnte mit dir kommen.« Ich sah die Sehnsucht in ihren Augen, die mich so sehr an Julian erinnerten. Sie lächelte und schob mich fort. »Geh jetzt«, sagte sie. »Geh, ehe ich zu weinen anfange.« Die Tür schloß sich hinter mir, und ich lehnte mich zittrig dagegen. Bei allen Geistern, noch mehr von dieser Sorte konnte ich heute nicht ertragen! Alles in mir drängte danach, in mein Zimmer zu flüchten, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und es wie einen bösen Traum vorübergehen zu lassen. Ich richtete mich auf, hob entschlossen den Kopf und ging hinüber in den alten Teil der Burg: zu Leonie.
Jemaina war wie immer an ihrer Seite und sah erfreut auf, als ich hereinkam. Magramanir wandte mir ihren Kopf zu und krächzte. Ich sah, daß die beiden Frauen dabei waren, das spiel zu spielen. Ich erkannte die Figuren auf dem Brett, und ich begriff, was ihre Stellungen zu bedeuten hatten. Leonie lächelte und bot mir Platz an, und Jemaina brachte mir einen ihrer schmackhaften Kräutertees. Ich fühlte mich seltsam geborgen, während ich stumm dasaß und das heiße Getränk schlürfte. Jemaina beobachtete mich und schüttelte leicht den Kopf.
»Sieh nur, Leonie«, sagte sie mit sanftem Tadel. »Sie macht sich ein schlechtes Gewissen, weil sie uns verläßt.« Die alte Magierin lachte kurz auf. Ihre blicklosen Augen richteten sich beunruhigend auf eine Stelle neben meinem linken Ohr. Sie griff mit ihren überlangen Fingern nach meiner Hand und hielt sie in einem harten Griff.
»Bereue deine Entscheidung niemals!« sagte sie befehlend. »Du hast sie getroffen und damit ist es gut.« Ihr schmales, schönes Gesicht war dicht an meinem. Ich sah unsicher zu Jemaina hinüber, die an ihrer Pfeife sog und mich freundlich ansah.
»Elloran.« Ich fuhr zusammen und blickte in die blinden Augen vor mir. Tief unten schien ein kleiner Funke zu glühen. »Du solltest eines wissen: Es ist ratsam, daß du nicht zurückkehrst. Was hier in der Zukunft auf dich wartet, ist Leid und Trauer.« Ihre dunkle Stimme klang wie die einer Schlafenden. Ich starrte gebannt in die goldene Tiefe. »Bleibe bei den Fremden, Elloran. Ich sehe ein langes und glückliches Leben in der Fremde. Kehr niemals hierher zurück, hörst du? Niemals.« Der schmerzhafte Griff um meine Hand löste sich, und die alte Frau sackte zusammen. Sie strich mit unsicherer Hand über ihr Gesicht und murmelte fast kläglich: »Was – was habe ich ...?«
Jemaina eilte an ihre Seite und hob sie aus dem Sessel. »Du hast es wieder getan«, schalt sie mütterlich. »Du bist wirklich schrecklich, Leonie. Du weißt doch, daß dich das viel zu sehr anstrengt.« Unter unentwegtem zärtlichen Schimpfen brachte sie die alte Magierin zu Bett und deckte sie zu. Dann kehrte sie zu mir zurück, die ich wie versteinert neben dem Tisch mit dem Spielbrett saß und setzte sich schwerfällig neben mich. Ihr Gesicht war besorgt.
»Du hast sie gehört, Ell«, begann sie behutsam. »Du solltest sehr ernstnehmen, was sie sagte. Sie sieht in der Zukunft eine Gefahr für dich, falls du hier bleibst. Wenn du mit deinen Freunden gehst, solltest du für immer gehen. Deine Großeltern werden sich damit abfinden.« Ihre schwarzen Augen musterten mich
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