Ellorans Traum
warnte: »Mach keinen Mucks! Akim und ich werden versuchen, sie von einer Durchsuchung abzuhalten.« Ich bebte vor Furcht. Jeder, der auch nur einen etwas genaueren Blick ins Wageninnere warf, mußte erkennen, daß ich in dieser Kiste hockte.
Draußen ertönten Rufe und lauter Hufschlag. Ich erkannte Ioanns Stimme, und mein Herz sank mir auf die Füße. Nikals Stellvertreter war ein fähiger, gewissenhafter und äußerst gründlicher Mann, der Kommandant hatte seine Fähigkeiten sehr geschätzt.
Akim zügelte das Pferd und ließ einen freundlichen Gruß hören, Ioann grüßte ebenso beflissen zurück und entschuldigte sich, daß er den Heiler angehalten hatte. Die beiden tauschten noch einige Höflichkeiten aus, dann kam Ioann zur Sache.
»Wir suchen einen Ausreißer, den Jungen Elloran. Du erinnerst dich sicher an ihn, er war oft mit deinem Begleiter zusammen.«
Akim tat so, als müsse er überlegen. »Ach, sicher«, sagte er dann in gleichgültigem Ton. »Dieser lästige rothaarige Stallbursche. Was hat er denn angestellt?«
»Er ist ausgerissen, wie ich schon sagte«, brummte Ioann.
»Und da schickt der Burgherr seine halbe Wache hinterher? Einem ausgerissenen Stallburschen? Schätzt ihr all euer Gesinde so hoch?« spottete Akim. Ich preßte die Faust an den Mund, um nicht loszuprusten. Der brave Ioann war der spitzen Zunge des Heilers in keiner Weise gewachsen. Hoffentlich übertrieb Akim es nicht.
»Es handelt sich um den Sohn des Herrn«, druckste Ioann herum. Es war ihm hörbar peinlich. »Ein mißratenes Früchtchen, aber der Herr Morak wünscht, daß wir ihn zurückbringen.« Ich hörte ein Echo von meines Vaters Stimme, und es lief mir eiskalt über den Rücken: Ich will ihn wiederhaben, lebend oder tot ... Draußen leugnete Akim inzwischen, seit Verlassen der Burg auch nur ein Fädchen von mir gesehen zu haben. Es klang recht überzeugend. Er wünschte Ioann viel Erfolg bei seiner Suche und ließ den Wagen anfahren. Meine Erleichterung war allerdings nicht von langer Dauer.
Ioann sagte bedauernd, aber fest: »Bitte erlaube mir, einen kurzen Blick in deinen Wagen zu werfen. Ich muß meinem Herrn melden können, daß ich mich mit eigenen Augen davon überzeugt habe, daß der Junge nicht mit euch reist.« Ich hörte den hartnäckigen Unterton in seiner höflichen Stimme und unterdrückte ein Seufzen. Nikal hatte ihn wirklich ausgezeichnet und gründlich ausgebildet.
Akims Antwort ließ keinen Unmut erkennen. »Bitte, Kommandant, sieh dich ruhig um«, sagte er zuvorkommend. »Aber nimm ein wenig Rücksicht auf meinen kranken Begleiter, der hinten liegt und schläft. Er hat sich wohl bei euch auf der Burg ein böses Fieber zugezogen. Ich bin nicht ganz sicher, ob es ansteckend ist, also sei vorsichtig.«
Das war großartig! Woher wußte Akim von Ioanns Furcht vor ansteckenden Krankheiten? Jetzt würde er sicher nicht selbst den Wagen durchsuchen, sondern einen seiner Männer schicken. Das erhöhte meine Chancen, unentdeckt zu bleiben, gewaltig.
Die Tür öffnete sich ein kleines Stück, und durch den Spalt zwängte sich eine der Wachen. Tom ließ schwere, mühsame Atemzüge hören. Ich schielte unter den Decken hervor und wagte keine Wimper mehr zu rühren. Der Soldat trat einen zögernden Schritt auf den vermeintlich Schwerkranken zu. Tom wälzte sich herum und stöhnte, als sei er von gräßlichen Schmerzen geplagt. Der Soldat hielt respektvoll Abstand und rührte ein wenig zwischen dem Zeug auf dem Boden herum. Dabei kam er mir in meinem Versteck gefährlich nahe.
Tom schrie plötzlich mit gräßlicher Stimme gellend auf: »Nehmt es weg! Bitte, nehmt es weg!« Der Mann fuhr zurück und stieß hart gegen die Seitenwand des Wagens. Tom hatte sich halb aufgerichtet und seine Arme wie in höchster Angst abwehrend ausgebreitet. Sein Gesicht war totenbleich mit lodernden, kreisrunden Flecken auf den Wangenknochen. Die Augen lagen in tiefen, schwarzen Höhlen und brannten in einem irrsinnigen Feuer. Er hatte den Mund weit aufgerissen und starrte den armen Soldaten an, der dastand wie eine Kuh, wenn es donnert. Ich bekam eine Gänsehaut. Tom griff mit klauenähnlichen Händen, aus denen ich lange Krallen wachsen zu sehen vermeinte, nach dem Mann und stöhnte mit Grabesstimme: »Du bleibst bei mir! Aber zuerst nimm es weg!« Seine Stimme steigerte sich zu einem infernalischen Kreischen. Der Soldat riß sich los, stolperte über Toms Jonglierbälle und fiel fast aus dem Wagen. Tom tobte sicherheitshalber
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