Ellorans Traum
stimmte in Toms Lachen ein. Der Kontrast zwischen dem Äußeren dieser Riesenfrau und ihrem einfältigen Auftreten war wirklich zu frappierend.
Tom wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ran, Liebes, verzeih. Wir haben dich nicht auslachen wollen. Elloran ist der Sohn des Schloßherren von Salvok.« Ihre Augen wurden kugelrund vor Staunen. Um Verzeihung bittend, sah sie mich groß an. Ich nickte ihr lächelnd zu. Sie hatte mich nicht beleidigen wollen, und sie war kein Mensch, dem man ernsthaft böse sein konnte.
Tom fuhr grinsend fort: »Außerdem ist dein Irrtum sehr verständlich. Der Bursche könnte langsam einen Haarschnitt vertragen.« Er nahm eine Strähne meines Haars zwischen die Finger und zog neckend daran. Tom hatte recht. Ich hatte schon lange keinen Spiegel mehr zu Gesicht bekommen – zumindest nicht, um mich mit Muße darin zu betrachten – aber meine Mähne mußte inzwischen schulterlang sein und fühlte sich zudem recht zottelig an. Ranan lächelte wieder, ihr sommersprossenübersätes Gesicht wirkte fröhlich.
»Ich kann sie dir schneiden«, bot sie mir an, »ich bin ziemlich gut mit sowas.« Ich sah unwillkürlich auf ihre Hände. Sie schienen trotz ihrer Größe feingliedrig und geschickt zu sein.
»Ja, gerne«, antwortete ich bereitwillig. Sie machte eine Bewegung, als wolle sie sogleich ihr Messer zücken, aber Akims unwirsche Stimme hielt sie zurück.
»Wollen wir hier Wurzeln schlagen, oder soll es heute noch weitergehen? Wir sind lange genug aufgehalten worden.« Er wartete keine Antwort ab, sondern ließ den Schimmel antraben. Ich kletterte hastig neben Akim auf den Sitz, und Tom band, neben dem anrollenden Wagen herlaufend, das Biest los und sprang auf seinen ungesattelten Rücken. Er ritt lieber ohne Sattel, aber das Biest schätzte dies nicht sehr. Es bockte und versuchte ihn abzuwerfen, doch Tom saß wie festgenagelt.
»Wo hast du Quinn gelassen?« fragte er, als wir wieder auf dem Weg waren. Ranan rieb zerstreut mit den Fingern über eines der breiten Armbänder, als würde es sie stören.
»Etwa einen Tagesritt hinter mir. Wir haben in einem Gasthof übernachtet, dessen Wirtin einen eigenartigen Dialekt sprach ...«
»Ran, reite schon mal voraus. Ich glaube, das muß ich mir etwas genauer ansehen«, unterbrach Akim sie mit einer fremd klingenden, heiseren Stimme. Ich sah verdutzt zu ihm hinüber.
»Und sag den beiden Jungs, sie sollen keinen Unfug machen«, echote Tom von der anderen Seite des Wagens. Dann brachen alle drei in Gelächter aus.
»Ja, so etwa«, gluckste Ranan. »Der Cap – Quinn stößt spätestens in der Kronstadt zu uns. Wir sollen dort auf jeden Fall warten.« Sie hatte sich mittendrin unterbrochen und mir einen unsicheren Blick zugeworfen. Jetzt drehte sie sich zu Tom um, der zurückgefallen war und mit dem Biest schimpfte, und rief ihm in fragendem Tonfall etwas zu. Er holte auf und lenkte sein Pferd neben ihren Schwarzen. Das Biest schnappte nach Ranans Rappen, aber Tom brachte es zur Räson.
»Ranan, du bist wirklich zu unhöflich«, tadelte er. »Warum sprichst du nicht so, daß Elloran dich auch verstehen kann?« Sie fauchte eine erbost klingende Erwiderung und verstummte. Tom sah mich an und hob die Schultern.
»Mach dir nichts draus, Elloran«, rief er. »Die Kleine fremdelt noch ein wenig, aber das dürfte sich bald legen.«
Gegen Abend lagerten wir an einem Bach in der Nähe eines kleinen Gehölzes. Tom zog los, um ›unseren Speisezettel etwas interessanter zu gestalten‹, wie er es nannte. Ich war gespannt, mit welcher Art von Nahrung er wieder auftauchen würde. Falls er vorhatte zu jagen, fragte ich mich, wie er das anstellen wollte, da er wie immer keine weitere Waffe als sein kleines Messer am Gürtel trug. Ich kümmerte mich derweil um unser Feuer – dieses Mal, um Streitereien zu vermeiden, auf dem üblichen Weg, mit meinem Feuerstein – und Ranan räumte die Packtaschen ihres Pferdes aus und lud einiges daraus auf den Wagen. Es waren verschiedene in Tücher und Decken eingewickelte Packen dabei, die sie behutsam und mit großer Sorgfalt behandelte, als wäre ihr Inhalt wertvoll und zudem zerbrechlich.
»Ah, da ist es!« rief sie triumphierend und schwenkte ein gefährlich scharf aussehendes Messer durch die Luft. »Komm her, Elloran, jetzt stutze ich dir dein Haar.« Sie zog mich zu einem moosüberwachsenen Baumstamm und hieß mich niedersetzen. Mit zusammengezogenen Brauen und angestrengt gerunzelter Stirn, die volle
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