Elric von Melnibone
Hand, daß du nicht wirklich sterben wolltest, sonst wäre der Ruf nicht so klar erklungen und hätte uns auch nicht so schnell erreicht. Vergiß das jetzt. Wenn du dich ausgeruht hast, werden wir tun, um was du uns
gebeten hast.«
Mühsam richtete sich Elric in eine sitzende Stellung auf. »Du hast vorhin von ›verknüpftem Geschick‹ gesprochen. Du weißt also über mein Schicksal Bescheid?«
»Ein wenig, glaube ich. Unsere Welt wird alt. Früher einmal waren die Geister auf deiner Ebene sehr mächtig, und die Melniboneer teilten diese Macht ausnahmslos. Aber heute lassen unsere Kräfte nach wie auch die deinen. Irgend etwas verändert sich. Es gibt Anzeichen, daß die Lords der Höheren Welten sich wieder für deine Welt interessieren. Vielleicht fürchten sie, die Menschen aus den Jungen Königreichen könnten sie vergessen haben. Vielleicht drohen die Völker der Jungen Königreiche ein neues Zeitalter zu beginnen, in dem Götter und Wesen wie ich keinen Platz mehr haben. Ich vermute, daß sich in den Ebenen der Höheren Welten ein gewisses Unbehagen breit macht.«
»Mehr weißt du nicht?«
König Straasha hob den Kopf und sah Elric offen an. »Mehr kann ich dir nicht sagen, Sohn meiner alten Freunde, außer daß du glücklicher wärst, wenn du dich ganz deinem Geschick hingäbst, sobald du es begreifst.«
Elric seufzte. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst, König Straasha. Ich will versuchen, deinen Rat zu befolgen.«
»Und nachdem du dich ausgeruht hast, ist nun Zeit für die Rückkehr.«
Der Meereskönig erhob sich von seinem Thron aus milchigem Jade, glitt auf Elric zu und nahm ihn in seine kräftigen grünen Arme.
»Wir werden uns wiedersehen, ehe dein Leben zu Ende geht, Elric. Ich hoffe, daß ich in der Lage bin, dir noch einmal zu helfen. Und denk daran, daß unsere Brüder der Luft und des Feuers ebenfalls versuchen werden, dir zu helfen. Und denk an die Tiere - sie können dir ebenfalls dienen. Du brauchst ihrer Hilfe nicht zu mißtrauen. Aber hüte dich vor Göttern, Elric. Hüte dich vor den Lords der
Höheren Welten und denk daran, daß ihre Hilfe und ihre Geschenke stets einen Preis haben.«
Dies waren die letzten Worte des Meereskönigs, die Elric vernahm, ehe sie wieder durch die gewundenen Tunnels jener anderen Ebene eilten, so schnell, daß Elric keine Einzelheiten mehr auszumachen vermochte und zuweilen gar nicht wußte, ob sie sich noch in König Straashas Reich befanden oder bereits in die Tiefen des Meeres seiner eigenen Welt zurückgekehrt waren.
2
EIN NEUER HERRSCHER UND EIN ERNEUERTER HERRSCHER
Unheimliche Wolken füllten den Himmel, dahinter hing schwer und riesigrot die Sonne, und das Meer war schwarz, als die goldenen Galeeren heimwärts glitten - weit vor ihrem Flaggschiff Sohn des Pyaray, das sich nur langsam bewegte, mit toten Sklaven auf den Ruderbänken, mit schlaffen Segelfetzen an den Masten, rauchgeschwärzten Männern auf den Decks und einem neuen Herrscher auf der verwüsteten Brücke. Der neue Herrscher war der einzige in der Flotte, der sich freute, und er freute sich aus vollem Herzen. Nicht länger flatterte Elrics Banner am höchsten Punkt des Flaggenmastes, sondern das seine; in aller Eile hatte er Elric für tot erklärt und sich zum Herrscher von Melnibone ausgerufen.
Für Yyrkoon war der seltsame Himmel ein Vorzeichen der Veränderung, der Rückkehr zu den alten Gebräuchen und zur alten Macht der Dracheninsel. Wenn er Befehle gab, lag in seiner Stimme unüberhörbares Frohlocken, und Admiral Magum Colim, der vor Elric stets auf der Hut gewesen war, der nun aber Yyrkoons Kommandos ausführen mußte, fragte sich, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, Yyrkoon auf die Art und Weise auszuschalten, wie Yyrkoon - so vermutete er - Elric beseitigt hatte.
Dyvim Tvar stützte sich auf die Reling seines Schiffes Terhalis Besondere Zufriedenheit und betrachtete ebenfalls den Himmel. Er sah jedoch darin ein Omen des Untergangs, denn er trauerte um Elric und überlegte, wie er sich an Prinz Yyrkoon rächen konnte, sollte sich herausstellen, daß Yyrkoon seinen Cousin um der Thronbesteigung willen ermordet hatte.
Melnibone tauchte über dem Horizont auf, eine zerklüftete düstere Silhouette, ein schwarzes Monstrum, das im Meer hockte und seine Kinder in die freudvolle Wärme seines Mutterleibs zurückrief, in die Träumende Stadt Imrryr. Die mächtigen Klippen ragten hoch auf, das mittlere Tor zum Meereslabyrinth öffnete sich, Wasser klatschte und
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