Elric von Melnibone
legte der Hauptmann die rechte Hand auf den Schwertgriff. Ein junger Krieger reagierte energischer. Er zog seine Klinge und murmelte: »Ich töte ihn, Prinzessin, wenn es dein Wunsch ist.« Der junge Krieger liebte Cymoril mit einer Inbrunst, die ihm jeden klaren Gedanken raubte.
Der Hauptmann warf dem Krieger einen mahnenden Blick zu, aber der Soldat war wie mit Blindheit geschlagen. Zwei weitere Soldaten zogen blank. Yyrkoon hatte einen roten Mantel um sich gewunden, und auf seinem Drachenhelm spiegelte sich das Licht der im Wind zuckenden Fackeln, während er vortrat und rief:
»Yyrkoon ist jetzt Herrscher!«
»Nein!« schrie Yyrkoons Schwester. »Elric! Elric! Wo bist du?«
»Er dient seinem neuen Herrn, Pyaray des Chaos. Seine toten Hände ziehen am Ruder eines Chaosschiffes, Schwester. Seine toten Augen sehen nichts mehr. Seine toten Ohren hören nur noch die knallende Peitsche Pyarays, und sein totes Fleisch zuckt und fühlt nichts außer jener unirdischen Geißel. Elric ist mitsamt seiner Rüstung auf den Meeresboden gesunken.«
»Mörder! Verräter!« Cymoril begann zu schluchzen.
Der Hauptmann, der einen Sinn für das Praktische hatte, sagte leise zu seinen Soldaten: »Steckt die Waffen fort und begrüßt euren neuen Herrscher.«
Diese Anordnung mißachtete nur der junge Wächter, der Cymoril liebte. »Aber er hat den Herrscher ermordet! Meine Lady Cymoril hat es behauptet!«
»Na und? Er ist jetzt Herrscher hier. Knie nieder, sonst bist du in einer Minute tot.«
Der junge Krieger stieß einen lauten Schrei aus und sprang auf Yyrkoon zu, der einen Schritt rückwärts machte und sich bemühte, die Arme aus dem Stoff seines Mantels zu befreien. Einen solchen Überfall hatte er nicht erwartet.
Doch es war der Hauptmann, der mit gezogenem Schwert vorsprang und nach dem Jüngling hieb, welcher keuchend einatmete, eine halbe Drehung vollführte und tot zu Yyrkoons Füßen niedersank.
Diese Demonstration des Hauptmanns war eine Bestätigung seiner wahren Macht, und Yyrkoon hätte beinahe zufrieden gegrinst, während er die Leiche betrachtete. Der Hauptmann sank auf ein Knie, das blutige Schwert noch in der Hand. »Mein Herrscher«, sagte er.
»Du beweist mir angemessene Loyalität, Hauptmann.«
»Meine Treue gilt dem Rubinthron.«
»In der Tat.«
Cymoril bebte vor Kummer und Zorn, doch ihre Empörung fruchtete nichts. Sie wußte, daß sie keine Freunde mehr hatte.
Mit aufdringlichem Blick baute sich Herrscher Yyrkoon vor ihr auf. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr über Hals, Wange und Mund. Er ließ die Hand fallen, daß sie eine Brust streifte. »Schwester«, sagte er, »jetzt gehörst du mir.«
Da sank Cymoril als zweite vor ihm nieder: Sie hatte das Bewußtsein verloren.
»Nimm sie auf«, sagte Yyrkoon zum Wächter. »Bring sie in ihren Turm und sorge dafür, daß sie dort bleibt. Zwei Mann sollen ständig bei ihr sein, selbst in den intimsten Augenblicken, denn es ist möglich, daß sie den Rubinthron verraten will.«
Der Hauptman verneigte sich und bedeutete seinen Männern, dem Herrscher zu gehorchen. »Aye, mein Lord. Es soll geschehen.«
Yyrkoon warf einen letzten Blick auf den toten Krieger. »Und gib das heute abend ihren Sklaven zu essen, damit er ihr auf diese Weise bis zum Letzten dient.« Er lächelte.
Der Hauptmann lächelte ebenfalls; er wußte den Scherz zu würdigen. Es war ein angenehmes Gefühl, endlich wieder einen richtigen Herrscher in Melnibone zu haben. Einen Herrscher, der aufzutreten wußte, der es verstand, mit seinen Feinden umzugehen, und der unwandelbare Treue als sein Recht beanspruchte. Der Hauptmann hoffte, daß für Melnibone nun hübsche kämpferische Zeiten anbrachen. Die goldenen Kampfbarken und die imrryrischen Krieger konnten endlich wieder auslaufen und den Barbaren der Jungen Königreiche auf angenehmzufriedenstellende Weise Angst einflößen. In Gedanken verhalf sich der Kapitän bereits zu den Schätzen Lormyrs, Argimiliars und Pikarayds, Ilmioras und Jadmars. Vielleicht durfte er sogar damit rechnen, zum Gouverneur ernannt zu werden, beispielsweise auf der Insel der Purpurnen Städte. Welch exquisite Folterqualen würde er den emporgekommenen Seelords bereiten, besonders Graf Smiorgan Kahlschädel, der seit einiger Zeit den Versuch machte, seine Insel in Konkurrenz zu Melnibone als Handelszentrum aufzubauen. Während er die ohnmächtige Prinzessin Cymoril zu ihrem Turm geleitete, fiel sein Blick auf ihren schönen Körper. Er spürte das
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