Elric von Melnibone
gurgelte, durchschnitten und aufgewühlt von den goldenen Schiffen, die von der dämmrigen Feuchtigkeit der Tunnels verschluckt wurden. Hier schwammen noch immer Trümmer vom Zusammenstoß der letzten Nacht, hier waren noch bleich aufgedunsene Leichen zu sehen, wenn das Fackellicht darüber hinstrich. Die Schiffe drängten sich stolz durch die Überreste ihrer Opfer, doch an Bord der goldenen Kampfbarken herrschte keine Freude, denn sie brachten die Nachricht vom Tod ihres alten Herrschers. (Yyrkoon hatte verlautbaren lassen, er sei im Kampf gefallen und über Bord gestürzt. ) In der nächsten Nacht und in den darauffolgenden sechs Nächten würde der Wilde Tanz von Melnibone die Straßen füllen. Drogen und kleine Zauberkräfte würden dafür sorgen, daß niemand schlief, denn schlafen durfte kein Melniboneer, ob alt oder jung, solange ein toter Herrscher betrauert wurde. Nackt würden die Drachenprinzen durch die Stadt streifen und jede junge Frau ergreifen und mit ihrem Samen füllen, denn es entsprach der Tradition, daß beim Tod eines Herrschers die Adligen Melnibones möglichst viele Kinder aristokratischen Blutes zeugten. Von jeder Turmspitze würden Musiksklaven heulen. Viele Sklaven wurden getötet und einige auch verzehrt. Es war ein scheußlicher Tanz, der Tanz des Leids, und kostete so viele Menschenleben, wie er hervorbrachte. In diesen sieben Tagen wurde ein Turm eingerissen und ein neuer erbaut, und dieser Turm erhielt den Namen Elrics VIII. des Albinoherrschers, gefallen auf See bei der Verteidigung Melnibones gegen die Piraten aus dem Süden.
Auf dem Meer gefallen, sein Leichnam von den Wellen verschlungen. Das war kein gutes Omen, denn es bedeutete, daß Elric nun in die Dienste Pyarays getreten war, des Tentakelflüsterers Unmöglicher Geheimnisse, des Chaos-Lords, der die Chaos-Flotte befehligte - tote Schiffe und tote Seeleute, die bis in alle Ewigkeit in seiner Macht standen -, und es geziemte sich einfach nicht, daß einem Angehörigen der königlichen Familie Melnibones ein solches Schicksal widerfuhr.
Ach, die Trauer würde lange währen, dachte Dyvim Tvar. Er hatte Elric geliebt, auch wenn er den Methoden seiner Herrschaft über die Dracheninsel zuweilen mit Mißfallen begegnet war. Am Abend wollte er heimlich die Drachenhöhlen aufsuchen und bis zum Morgen trauernd bei den schlafenden Drachen ausharren, die nun nach Elrics Tod das einzige waren, was er noch lieben konnte. Plötzlich dachte Dyvim Tvar an Cymoril, die Elrics Rückkehr erwartete.
Die Schiffe traten nach und nach aus dem Labyrinth wieder in die Dämmerung des Abends hinaus. Im Freien brannten bereits Fackeln und Feuerkessel auf den Kais von Imrryr, die verwaist waren bis auf eine kleine Gruppe um eine Kutsche, die bis ans Ende der großen Mittelmole gefahren war. Ein kalter Wind blies über das Hafenbecken. Dyvim Tvar wußte, daß dort Prinzessin Cymoril auf die Flotte wartete.
Obwohl das Flaggschiff als letztes durch das Labyrinth navigierte, mußten die übrigen Schiffe warten, bis es in Position geschleppt worden war und als erstes angelegt hatte. Wäre das nicht die vorgeschriebene Übung gewesen, hätte Dyvim Tvar sein Schiff verlassen und mit Cymoril gesprochen, er hätte sie vom Kai geleitet und ihr alles erzählt, was er über Elrics Tod wußte. Dieser Schritt war aber unmöglich. Noch ehe die Terhalis Besondere Zufriedenheit Anker geworfen hatte, senkte sich die Hauptgangway der Sohn des Pyaray, und Herrscher Yyrkoon ging mit selbstbewuß-tem Stolz an Land, die Arme in triumphierendem Salut vor der Schwester erhoben, die noch in diesem Augenblick die Schiffsdecks nach einer Spur ihres geliebten Albinos absuchte.
Plötzlich begriff Cymoril, daß Elric tot war und daß Yyrkoon irgendwie für Elrics Tod verantwortlich war. Entweder hatte es Yyrkoon zugelassen, daß Elric von einer Gruppe südländischer Räuber verschleppt wurde, oder es war ihm gelungen, Elric selbst umzubringen. Sie kannte ihren Bruder und wußte, was sein Gesichtsausdruck bedeutete. Er war mit sich zufrieden, wie immer, wenn ihm irgendeine Gemeinheit gelungen war. Zorn blitzte in ihren tränengefüllten Augen, und sie warf den Kopf in den Nakken und rief in den bewegten, unheildrohenden Himmel:
»Oh! Yyrkoon hat ihn vernichtet!«
Ihre Leibwache war überrascht. Der Hauptmann sprach fürsorglich: »Madame?«
»Er ist tot - und der Bruder dort hat ihn ermordet. Verhafte Prinz Yyrkoon, Hauptmann. Töte Prinz Yyrkoon, Hauptmann!«
Bekümmert
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