Elric von Melnibone
»Sprich, Cousin!«
»Arioch und alle Herzöge der Hölle sollen dich bis in alle Ewigkeit quälen!« knurrte Yyrkoon. Seine rollenden Augen blickten wild, seine Lippen waren verzogen, als er den Kopf in den Nacken warf. »Arioch! Arioch! Verfluche diesen schwächlichen Albino! Arioch! Vernichte ihn, wenn Melnibone nicht untergehen soll!«
Elric lachte noch immer. »Arioch hört dich nicht! Das Chaos ist schwach geworden auf der Erde. Es bedarf eines größeren Zaubers, um die Chaos-Lords zu rufen, damit sie uns helfen wie unseren Vorfahren. Und jetzt, Yyrkoon, sag mir eins - wo ist Lady Cymoril?«
Aber Yyrkoon hatte sich in ein mürrisches Schweigen gehüllt.
»Sie befindet sich in ihrem Turm, mein Herrscher«, sagte Magum Colim.
»Ein Geschöpf Yyrkoons hat sie dorthin gebracht«, sagte Dyvim Tvar. »Der Hauptmann von Cymorils eigener Wache, er tötete einen Krieger, der seine Herrin gegen Yyrkoon verteidigen wollte. Prinzessin Cymoril ist vielleicht in Gefahr, mein Lord.«
»Dann geh sofort zum Turm. Nimm eine Gruppe Männer mit. Bring Cymoril und den Hauptmann ihrer Wache zu mir.«
»Und Yyrkoon, mein Lord?« fragte Dyvim Tvar.
»Er möge hierbleiben, bis seine Schwester zurückkehrt.«
Dyvim Tvar verbeugte sich, stellte eine Abteilung Krieger zusammen und verließ den Thronsaal. Niemand übersah, daß Dyvim Tvars Schritt nun leichter und sein Gesichtsausdruck weniger grimmig war als in den Minuten, da er sich hinter Prinz Yyrkoon dem Thronsaal näherte.
Yyrkoon hob den Kopf und sah sich im Raum um. Einen Augenblick lang wirkte er wie ein bedauernswertes, verwundertes Kind. Alle Furchen des Hasses und Zorns waren aus seinem Gesicht verschwunden, und Elric spürte Mitgefühl für seinen Cousin in sich erwachen. Aber diesmal unterdrückte Elric die Regung.
»Sei dankbar, Cousin, daß du einige Stunden lang mächtig warst, daß du die Macht über das Volk von Melnibone genießen durftest.«
Yyrkoon antwortete mit leiser, stockender Stimme: »Wie bist du entkommen? Du hattest keine Zeit, einen Zauber zu bewirken, auch nicht mehr die Kraft dazu. Du konntest kaum noch Arme und Beine bewegen, und die Rüstung muß dich zum Meeresboden hinabgezogen haben. Du hättest ertrinken müssen! Das ist unfair, Elric. Du hättest ertrinken müssen!«
Elric zuckte die Achseln. »Ich habe Freunde im Meer. Im Gegensatz zu dir erkennen sie mein königliches Blut und mein Recht auf diesen Thron an.«
Yyrkoon versuchte sein Erstaunen zu verbergen. Offenbar hatte sein Respekt vor Elric zugenommen - wie auch sein Haß auf den Albinoherrscher.
»Freunde.«
»Ja«, sagte Elric mit feinem Lächeln.
»Ich - ich dachte, du hättest dir geschworen, deine Zauberkräfte nicht einzusetzen.«
»Aber du hieltest das für einen Schwur, den abzulegen sich für einen melniboneischen Monarchen nicht geziemte. Ist das nicht richtig? Nun, ich bin deiner Meinung. Siehst du, Yyrkoon, du hast schließlich doch einen Sieg errungen.«
Yyrkoon starrte Elric aus zusammengekniffenen Augen an, als versuche er, die versteckte Bedeutung hinter Elrics Worten zu ergründen. »Du willst die Chaos-Lords zurückholen?«
»Kein Zauberer, so mächtig er auch sei, kann die Chaos-Lords rufen, übrigens ebensowenig wie die Lords der Ordnung, wenn sie nicht kommen wollen. Das weißt du. Du mußt es wissen, Yyrkoon. Hast du es nicht selbst versucht? Und Arioch ist nicht gekommen, oder? Hat er dir das Geschenk gebracht, das du erbatest - die beiden schwarzen Schwerter?«
»Das weißt du?«
»Nein. Ich vermutete es. Jetzt weiß ich es.«
Yyrkoon versuchte zu sprechen, doch seine Stimme brachte keine Worte hervor, so zornig war er. Statt dessen kam ein gepreßtes Knurren aus seiner Kehle, und einige Sekunden lang bäumte er sich im Griff der Wächter auf.
Dyvim Tvar kehrte mit Cymoril zurück. Das Mädchen war bleich, doch sie lächelte. Sie lief in den Thronsaal. »Elric!«
»Cymoril! Ist dir ein Leid geschehen?«
Cymoril blickte auf den niedergeschmetterten Hauptmann ihrer Wache, der ebenfalls in den Saal geführt worden war. Ein Ausdruck des Widerwillens huschte über ihr Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Mir ist nichts geschehen.«
Cymorils Hauptmann zitterte vor Entsetzen. Flehend blickte er zu Yyrkoon hinüber, als hoffe er, der Mitgefangene könne ihm helfen. Aber Yyrkoon hob den Blick nicht vom Boden.
»Laßt ihn näher herantreten.« Elric deutete auf den Hauptmann der Wache. Der Mann wurde vor die Stufen gezerrt, die zum
Weitere Kostenlose Bücher