Elric von Melnibone
Schiff in einem Gewirr dicker Pinien zu zertrümmern. Immer wieder befeuchtete er seine Lippen und wischte sich den Schweiß von der Stirn, obwohl ein frischer Hauch in der Luft lag und der Atem ihm in einer Wolke vor dem Mund stand. Trotzdem war er ein guter Steuermann und gewöhnte sich allmählich an den Umgang mit dem Schiff, obgleich seine Bewegungen naturgemäß sehr hektisch waren, denn er hatte wenig Zeit für seine Entscheidungen, so schnell fuhr das Schiff über Land. Das Tempo war atemberaubend; sie kamen schneller voran als jedes Pferd - schneller sogar als Dyvim Tvars geliebte Drachen. Zugleich war die Bewegung seltsam erhebend, das ließen die Gesichter der Imrryrier deutlich erkennen.
Elrics entzücktes Gelächter hallte durch das Schiff und steckte manches Besatzungsmitglied an.
»Nun, wenn Grome von den Wurzeln uns behindert, möchte ich mir nicht vorstellen, wie schnell wir fahren, wenn wir erst das Wasser erreichen!« rief er Dyvim Tvar zu.
Dyvim Tvars anfängliche Stimmung war verflogen. Das lange dünne Haar wehte ihm um das Gesicht, als er seinen Freund nun anlächelte. »Aye - wir werden alle vom Deck ins Meer geblasen!«
Wie durch die Worte heraufbeschworen, begann das Schiff plötzlich heftig zu stampfen und zugleich zu rollen, als wäre es in starke Dünung geraten. Der Steuermann wurde bleich, klammerte sich an seinen Hebel und versuchte das Schiff wieder in den Griff zu bekommen. Ein schriller Entsetzensschrei ertönte, und ein Seemann fiel von der höchsten Rah des Hauptmasts auf das Deck; beim Aufprall wurde ihm jeder Knochen im Leib gebrochen. Das Schiff schwankte noch einoder zweimal, dann war die Turbulenz überwunden, und die Fahrt ging weiter. Elric starrte auf den Abgestürzten. Urplötzlich verflog seine gute Laune, seine schwarz behandschuhten Hände verkrampften sich um die Reling, und er knirschte mit den kräftigen Zähnen. Seine roten Augen funkelten, und seine Lippen krümmten sich im Spott auf sich selbst. »Was für ein Dummkopf ich doch bin, die Götter so in Versuchung zu führen!«
Obwohl sich das Schiff wieder beinahe so schnell bewegte wie vorher, schien nun eine Last daran zu hängen, als klammerten sich Gromes Helfer an den Kiel wie Muscheln im Meer. Ringsum in der
Luft spürte Elric etwas Besonderes - im Rauschen der Bäume, die sie passierten, in der Bewegung der Grashalme und Büsche und Blumen, die sie überfuhren, in der Last der Felsen, in den Hängen der Berge, die sie durchpflügten. Und er wußte, daß dieses seltsame Empfinden auf die Gegenwart Gromes vom Boden zurückzuführen war - Grome aus der Erde, dem Land unter den Wurzeln, Grome, der etwas besitzen wollte, das einmal das gemeinsame Eigentum von ihm und seinem Bruder Straasha gewesen war, das sie geschaffen hatten als Zeichen der Einheit zwischen ihnen, etwas, das dann einen Streit ausgelöst hatte. Grome forderte das Schiff-Das-Über-Land-Und-Meer-Fährt zurück. Elric, der auf die wirbelnde schwarze Erde der Bugwelle hinabstarrte, verspürte Angst.
7
KÖNIG GROME
Das Land zupfte noch an ihrem Kiel, als sie endlich doch das Meer erreichten. Das Schiff glitt ins Wasser und erhöhte von Sekunde zu Sekunde seine Geschwindigkeit, bis Melnibone achteraus versunken war und die schweren Dampfwolken in Sicht kamen, die ständig über dem Kochenden Meer hingen. Elric hielt es für unklug, das Schiff in diesen seltsamen Gewässern zu riskieren, auch wenn es ein magisches Fahrzeug war; und so wurde es herumgesteuert und der Bug auf die Küste Lormyrs gerichtet, das schönste und ruhigste der Jungen Königreiche mit dem Hafen Ramasaz an der Westküste. Wären die südlichen Barbaren, die vor kurzem besiegt worden waren, aus Lormyr gekommen, hätte Elric sicher einen anderen Hafen gewählt; die Angreifer stammten aber mit größter Wahrscheinlichkeit von der gegenüberliegenden Seite des Kontinents, aus einem Land südöstlich von Pikarayd. Die Lormyrier, die von dem dicken und vorsichtigen König Fadan beherrscht wurden, hätten sich nie einem Feldzug angeschlossen, dessen Erfolg nicht garantiert war. Das Schiff lief langsam in Ramasaz ein, und Elric gab Befehl, es auf konventionelle Weise zu vertäuen und wie ein ganz normales Schiff zu behandeln. Dennoch erregte es wegen seiner Schönheit das Interesse der Einheimischen, die sich überrascht zeigten, eine melniboneische Mannschaft an Bord vorzufinden. Die Melniboneer waren in den Jungen Königreichen zwar nicht gern gesehen, sie waren aber auch
Weitere Kostenlose Bücher