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Elric von Melnibone

Elric von Melnibone

Titel: Elric von Melnibone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Vielleicht hätte er seinen Rat vernünftiger und klarer - und auch womöglich energischer -vorbringen müssen und sich größere Mühe geben können, den jungen Herrscher zu beeinflussen. Doch auf typisch melniboneische Art tat er solche Zweifel schließlich als sinnlos ab. Es gab nur eine Maxime - man mußte das Vergnügen suchen, wo man konnte. Aber war das immer die melniboneische Maxime gewesen? Dyvim Tvar fragte sich plötzlich, ob Elrics Blut womöglich nicht mangelhaft, sondern eher regressiv war. Handelte es sich bei Elric um eine Reinkarnation eines jener ältesten melniboneischen Vorfahren? Hatte es schon immer zum melniboneischen Charakter gehört, nur an sich selbst und an die eigene Befriedigung zu denken?
    Wieder wies Dyvim Tvar diese Fragen von sich.
    Welchen Sinn hatten Fragen denn überhaupt? Die Welt war, wie sie war. Ein Mann war ein Mann. Ehe er sich schlafen legte, suchte er seine beiden Geliebten auf. Er weckte sie und bestand darauf, seine Söhne zu sehen, Dyvim Slorm und Dyvim Mav, und als die schläfrigen und verwirrten Kinder gebracht worden waren, blickte er sie lange an und schickte sie dann zurück. Er sagte kein Wort zu ihnen, doch er runzelte ständig die Stirn, rieb sich das Gesicht und schüttelte den Kopf, und als sie fort waren, sagte er zu seinen Geliebten Niopal und Saramal, die so verwirrt waren wie ihre Söhne: »Laßt sie morgen in die Drachenhöhlen bringen und ihre Ausbildung beginnen.«
    »So früh, Dyvirn Tvar?« fragte Niopal.
    »Ja. Ich fürchte, die Zeit ist knapp.«
    Er weigerte sich, diese Bemerkung näher zu erläutern, denn er konnte es nicht. Seine Sorge entsprang einem Gefühl. Aber es war ein Gefühl, das in ihm anschwoll, bis es beinahe zur Besessenheit wurde.
    Am nächsten Morgen kehrte Dyvim Tvar in Elrics Turm zurück und fand den Herrscher auf der Galerie über der Stadt unruhig hin und her schreiten. Der Albino erkundigte sich eifrig nach Meldungen über Schiffe, die vor der Insel gesichtet worden waren. Aber es waren keine Schiffe aufgetaucht. Die Dienstboten erwiderten voller Ernst, wenn der Herrscher ihnen das Schiff beschreiben könnte, wäre es für sie einfacher, danach Ausschau zu halten, aber er konnte das Schiff nicht beschreiben und konnte nur andeuten, daß es vielleicht gar nicht auf dem Wasser auftauchen würde, sondern über Land. Er hatte die schwarze Kampfrüstung angelegt und - das war für Dyvim Tvar ersichtlich - größere Mengen jener Mittel genommen, die sein Blut anreicherten. Die roten Augen funkelten hitzig und vital, er sprach schnell, und die knochenbleichen Hände bewegten sich bei der geringsten Geste mit unnatürlicher Geschwindigkeit.
    »Fühlst du dich gut heute morgen, mein Lord?«
    fragte der Drachenherr.
    »Ich bin bester Laune. Vielen Dank der Nachfrage, Dyvim Tvar.« Elric lächelte. »Allerdings ginge es mir noch besser, wäre das Schiffdas-Über-Landund-Meer-Fährt bereits zur Stelle.« Er ging zur Balustrade, stützte sich darauf und blickte über die Türme und die darunterliegenden Stadtmauern, suchte zuerst das Meer und dann das Land ab. »Wo mag es stecken? Ich wünschte, König Straasha hätte sich konkreter ausgedrückt.«
    »Darin bin ich deiner Meinung.« Dyvim Tvar, der noch nicht gefrühstückt hatte, bediente sich von den herrlichen Dingen, die auf einem Tisch angerichtet waren. Offenbar hatte Elric noch nichts davon gegessen.
    Dyvim Tvar fragte sich, ob die Menge der Drogen nicht den Verstand des alten Freundes angegriffen hatte; vielleicht machte der Wahnsinn Anstalten, Elric zu überwältigen - ausgelöst durch seinen Umgang mit komplizierten Zauberkräften, durch seine Sorge um Cymoril und seinen Haß auf Yyrkoon.
    »Wäre es nicht besser, du würdest dich hinlegen und in Ruhe auf das Schiff warten?« fragte er leise und wischte sich über die Lippen.
    »Aye - vernünftig wäre das schon«, meinte Elric. »Aber es geht nicht. Mich drängt es, die Fahrt anzutreten, Dyvim Tvar, mich Yyrkoon zu stellen, Rache an ihm zu nehmen und endlich wieder mit Cymoril zusammen zu sein.«
    »Das verstehe ich durchaus. Trotzdem.«
    Elrics Lachen klang laut und abgehackt. »Wenn es um mein Wohl geht, stellst du dich an wie Krummknochen. Ich brauche keine zwei Kinderschwestern, Lord der Drachenhöhlen!«
    Dyvim Tvar zwang sich zu einem Lächeln. »Du hast recht. Nun, ich bete darum, daß das magische Fahrzeug - was ist das?« Er deutete über die Insel. »Eine Bewegung im Wald dort. Als striche der Wind hindurch. Aber

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